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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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dass ich mir nicht ganz sicher bin, was sie möchte, aber sie hat gefragt, ob ich bleiben kann.»
    «Dann ist ja alles in Butter. Versuchen Sie, sie zum Reden zu bringen. Nach dem, was wir bislang über Jenny Lister wissen, muss sie eine Kreuzung aus Mutter Teresa und Gandhi gewesen sein. Und ähnlich viel Liebesleben gehabt haben wie die.»
    «Ja klar.» Holly war Feuer und Flamme, froh, etwas zu haben, worauf sie sich stürzen konnte. «Ihr Mann hat sie verlassen, als Hannah noch ein Baby war. Es muss doch andere Männer in ihrem Leben gegeben haben. Ich meine, das ist Jahre her.»
    Offenbar war ihr nicht klar, dass ihre Bemerkung etwas Grausames hatte, und Vera beließ es dabei. Vera hatte noch nie einen Mann in ihrem Leben gehabt. Was hätte Holly wohl dazu gesagt?
     
    Anne Mason wohnte auf halber Höhe eines Hügels, von dem aus man das Tal überblicken konnte, und Barnard Bridge, das sich am Bach entlangzog. Vera hatte für solche umgebauten Scheunen nicht viel übrig – riesige Bauwerke, in denen man sich zwischen Räumen mit zu viel Hall und dem offenen Dach verlor. Der Bau erinnerte sie an eine Kirche, und wo ließ man eigentlich seinen ganzen Krempel, wenn man keinen Speicher hatte? Sie sah Annes Wohnsitz schon, als sie in die schmale Straße einbog, die ein paar Meilen hinter dem Dorf von der Hauptstraße abzweigte. Das Sträßchen verlief eine Weile am Tyne entlang, wo ihr der Wald die Sicht versperrte. Dann ging es über freies Feld, und sie konnte die Scheune wieder sehen; die milchige Sonne spiegelte sich in den Fenstern, die die großen Scheunentore ersetzten.
    Anne Mason sah nicht aus wie jemand, der viel Krempel ansammelte. Sie war klein und zierlich, mit winzigen Händen und einem praktischen Kurzhaarschnitt. Sie trug noch immer die Baumwollhose und die Wanderstiefel von der Reise.
    Sie saßen auf schicken Stühlen in skandinavischem Stil und blickten aufs Tal hinunter.
    «Wir haben Simons Anruf bekommen, als wir gerade auf der A1 waren. Ich kann es einfach nicht glauben. Ausgerechnet Jenny.» In der Nähe der Eingangstür stand ein Rucksack auf dem gebohnerten Holzfußboden. Hin und wieder warf sie einen Blick darauf, und Vera merkte genau, dass es sie, trotz des Todes ihrer Freundin, ganz verrückt machte, nicht sofort auspacken zu können. Sie war eine Frau, die es hasste, wenn irgendetwas nicht erledigt war. Unwillkürlich schoss Vera ein Satz aus dem Bericht über Elias Jones durch den Kopf: Michael kann’s nicht leiden, wenn überall was rumliegt. Die beiden Frauen waren mithin keine Seelenverwandten gewesen. In Jennys Haus herrschte eine anheimelnde Unordnung;
ihr
hatte es nichts ausgemacht, zur Arbeit zu gehen, auch wenn noch ein paar schmutzige Teller in der Küche standen.
    «Wo ist denn Ihr Mann?», fragte Vera. Wenn Jenny in der Vergangenheit mit den beiden in Urlaub gefahren war, hatte der Mann vielleicht etwas Nützliches zum Gespräch beizutragen.
    «Er holt unseren Hund aus der Tierpension.» Anne lächelte entschuldigend. «Wir haben keine Kinder. Der Hund ist unser Baby.»
    Das Erdgeschoss der Scheune war offen angelegt, an einem Ende stand ein großer Holzofen, und am anderen lag die Küche, ganz in glänzendem schwarzem Granit und Edelstahl gehalten.
    «Was arbeitet er?» Das hier ist nicht von einem Lehrerinnengehalt bezahlt worden.
    «Er ist Architekt. Das hier ist sein Werk.» Wieder lächelte sie und wartete auf das gebührende Kompliment.
    «Wunderschön», sagte Vera, ohne auch nur zu versuchen, so zu klingen, als meinte sie das ehrlich. «Also dann, was können Sie mir über Jenny Lister erzählen? Ich habe gehört, dass Sie eng miteinander befreundet waren.»
    «Sehr eng. Wir haben uns vor etwa zehn Jahren kennengelernt. Ich habe in Hannahs Grundschule unterrichtet – da bin ich immer noch, leider. Jenny ist dem Elternbeirat beigetreten. Nach den Besprechungen haben wir uns abwechselnd mit zurück ins Dorf genommen, sind dann öfter mal auf ein Bier in den Pub und haben entdeckt, dass wir eine Menge gemeinsamer Interessen haben: Kino, Theater, Bücher. Von da an wurden wir Freundinnen.»
    «Wie oft haben Sie sich getroffen?»
    «Mindestens einmal die Woche. Unser Abend war der Mittwoch. Wir hatten beide so viel zu tun, dass es einfacher war, einen bestimmten Abend freizuhalten. Manchmal haben wir was unternommen – wenn zum Beispiel die
Royal Shakespeare Company
in Newcastle war, sind wir da immer hin, und ab und zu gab es was im
Sage
, worauf wir Lust hatten.

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