Seelentod
Schaufensterbummel gemacht und einen schönen Kaffee getrunken. Ist nicht ganz dasselbe wie ein Ausflug nach Newcastle, aber mehr habe ich in der Zeit nicht geschafft. Es war ein schöner Tag, deshalb bin ich mit dem Auto hierher zurückgekommen und zu Fuß ins Dorf gegangen, um Alice abzuholen.»
Ashworth schaute hinaus und sah, dass der Regen aufgehört hatte. Der Himmel – jedenfalls das, was man durch die tropfenden Bäume davon erkennen konnte – hellte sich auf. «Wo haben Sie in Hexham geparkt?»
«Neben dem großen Supermarkt, gleich hinter dem Bahnhof.»
«Ich nehme mal nicht an, dass Sie den Parkschein aufgehoben haben?»
«Ich habe überhaupt keinen Parkschein gezogen!» Jetzt wurde sie langsam sauer, und so gefiel sie ihm besser: angriffslustig, bereit, für sich zu kämpfen, und nicht mehr so teilnahmslos. «Da kann man kostenlos parken, auch wenn man ein Stück in die Stadt laufen muss. Ich spare mir den Parkschein und leiste mir stattdessen einen Kaffee. So muss ich jetzt eben rechnen, wo ich von der Fürsorge und dem kläglichen Unterhalt lebe, den mein Mann für seine Tochter zahlt.»
«Haben Sie jemanden getroffen, den Sie kennen?»
«Ich kenne niemanden hier draußen.»
«Sehen Sie», fuhr Ashworth seelenruhig und überlegt fort, «Jenny Listers Leiche wurde im Fitness-Club des Willows gefunden. Das liegt etwa auf halber Strecke zwischen hier und Hexham. Gar nicht weit weg. Wenn Sie in die Stadt gefahren sind, sind Sie daran vorbeigekommen. Ist das wieder nur ein Zufall?»
«Ja, Sergeant», sagte sie. «Das ist wieder nur ein Zufall.» Sie schwieg kurz. «Ich bin ein paar Mal im Willows gewesen. Wenn man da im Restaurant isst, kann man das Schwimmbad benutzen. Das war zu den alten Zeiten, als ich noch verheiratet war, bevor wir Alice bekamen, als eine Fahrt aufs Land an einem Sommerabend eine schöne Abwechslung war.» Sie stand auf, und Ashworth dachte, sie wollte die Befragung damit beenden, doch sie ging nur in die Küche und holte die Kaffeekanne. Ohne zu fragen, füllte sie seinen Becher nach und schenkte sich selbst noch mal ein. Er hätte gern Milch und Zucker gehabt, aber das hatte sie ihm nicht angeboten, und er fragte nicht danach.
«Erzählen Sie mir von Jenny», sagte er. «Was für eine Frau war sie?»
«Tüchtig», sagte sie. «Rechtschaffen. In sich gekehrt.»
«Haben Sie sie gemocht?»
Darüber dachte Connie nach. «Ich habe sie bewundert», sagte sie. «Man wusste nie, ob man sie mag oder nicht, denn sie hat nie jemanden nah genug an sich herangelassen. Zumindest niemanden von der Arbeit. Das war wohl ihre Überlebenstechnik. Es gibt Leute bei der Sozialarbeit, die machen es genau andersherum: Alle ihre Freunde haben den gleichen Beruf und können den Stress und die Frustration nachempfinden. Jenny hat immer gesagt, sie will die Arbeit an der Bürotür zurücklassen. Vielleicht hat sie ja deshalb so weit weg vom Büro gewohnt.» Sie machte eine kleine Pause, bevor sie fortfuhr. «Jenny war immer überzeugt, dass sie recht hatte. Immer. Sie hat sich die Argumente der anderen zwar angehört, aber sobald sie sich einmal ihre Meinung gebildet hatte, war sie nicht mehr umzustimmen.»
Das erinnerte Ashworth an einige seiner Kollegen. Und auch bei der Polizei gab es genug Leute, die den Beruf und das Privatleben nicht miteinander vermischen wollten. Die meisten seiner Freunde waren Polizisten, und das machte es einfacher, weil sie die Witze verstanden und die Anspannung mit einem teilten, aber es gab Beamte, die nichts mehr von der Arbeit wissen wollten, sobald die Schicht vorbei war. Das isolierte sie ein wenig, machte sie zu Außenseitern im Team. War Jenny auch so gewesen: distanziert und von oben herab?
«Hat sie je von ihrer Familie gesprochen?»
«Ich habe gewusst, dass sie eine Tochter hat, aber nur, weil Jenny ein Bild von dem Mädchen auf ihrem Schreibtisch stehen hatte und ich sie danach gefragt habe. Und als mich mein Mann verlassen hat, hat Jenny gesagt, ihr wäre das Gleiche passiert, als ihre Tochter noch ganz klein war. Aber das war alles.»
«Sie können sich also nicht vorstellen, wer sie hätte ermorden wollen?»
«Oh, ich bin mir sicher, dass sie Drohungen bekommen hat», sagte Connie leichthin, «im Laufe der Jahre. Die haben wir alle bekommen.»
«Was wollen Sie damit sagen?»
Sie sah ihn an, als wäre er begriffsstutzig. «Es war Teil unserer Arbeit, Kinder aus ihren Familien zu nehmen, in der Regel gegen deren Willen. Natürlich gab es Leute,
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