Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
in den Hintergrund zu drängen und sich auf die Situation selbst zu konzentrieren.
    Er hatte Connie allein zu Hause angetroffen; ihre Tochter war offenbar in der Spielgruppe im Gemeindesaal. «Ich habe nur eine halbe Stunde Zeit», sagte sie, kaum dass er sich vorgestellt hatte. «Dann muss ich los und Alice abholen.» Abwehrend, nicht wirklich willens, ihn hereinzulassen.
    Aber dann hatte sie ihn doch hereingebeten, und jetzt saßen sie zusammen und tranken Kaffee. Sie sah müde aus, grau. Ashworth hatte ein paar leere Weinflaschen auf der Küchenbank erspäht und fragte sich, ob sie wohl trank.
    «Wollen Sie mir etwa erzählen, dass es ein bloßer Zufall ist?», fragte er. «Dass Sie rein zufällig hier eingezogen sind, gleich um die Ecke von Mrs Lister?»
    Normalerweise vermied er es, bei Befragungen allzu aggressiv vorzugehen. Das war nicht seine Art, und außerdem meinte er, bessere Ergebnisse zu erzielen, wenn er es ruhig und verständnisvoll anging. Aber in dem Fall hier verlor er immer wieder die Geduld, erst mit Danny, dem Studenten, der beim Putzen aushalf, und jetzt mit dieser Frau. Wenn er sie ansah, fiel es ihm schwer, die Bilder von der Leiche des ertränkten Elias Jones aus dem Kopf zu verbannen. Sie hatte den Mord nicht begangen, aber sie hatte zugelassen, dass er geschah.
    Sie blickte zu ihm hoch, sein Tonfall kränkte sie. «Jawohl, genau das will ich. Ich habe nicht einmal gewusst, dass sie hier im Dorf wohnt.»
    «Sie haben sechs Jahre lang mit der Frau zusammengearbeitet und nicht gewusst, wo sie wohnt?» Er versuchte gar nicht erst, das ungläubige Erstaunen in seiner Stimme zu unterdrücken, und die Frage kam schroff heraus, barsch.
    «Schauen Sie, ich komme aus der Stadt.» Connie blickte ihn über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg an und stellte sie dann vor sich auf den Tisch, ehe sie fortfuhr. «Ich bin in London aufgewachsen und zum Studium nach Newcastle gegangen. Ich habe erst in einer Wohnung in Heaton gewohnt, und als wir dann geheiratet haben, sind wir in ein kleines Haus in West Jesmond gezogen. Ich habe nur gewusst, dass Jenny irgendwo in Northumberland in der Pampa wohnt. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn wir was zusammen unternommen haben – wenn das Team abends mal zusammen weggegangen ist, so was in der Art –, dann war das in der Stadt. Woher sollte ich wissen, dass sie in Barnard Bridge wohnt? Wissen Sie etwa, wo Ihre Chefin wohnt?»
    Das war eine rhetorische Frage, doch Ashworth beantwortete sie im Stillen. Aber hallo, und ob! So oft, wie ich ihren Hintern da schon abgesetzt habe, weil sie zu betrunken zum Fahren war? Und immerhin bestellt sie mich jederzeit zu sich, um über einen Fall zu sprechen.
    «Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte sie umgebracht?»
    Ashworth hatte den Eindruck, dass Connie das tatsächlich erst jetzt in den Sinn gekommen war. Der Gedanke verjagte ihre Niedergeschlagenheit und den Kater. Nun starrte sie ihn an, hellwach und entsetzt.
    «Es gibt Leute, die könnten denken, dass Sie ein Motiv haben. Wenn Jenny nicht gewesen wäre, hätten Sie noch einen Job. Sie würden nicht hier festsitzen und von der Fürsorge leben und sich von allen beschimpfen lassen müssen.»
    «O nein!» Connie stand auf, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. «Das habe ich mir schon selbst zuzuschreiben. Wenn ich meinen Job gut gemacht hätte, wenn ich Elias’ Lehrerin nur einmal angerufen oder mir die Mühe gemacht hätte, abends dort vorbeizuschauen, um ihn zu sehen, dann hätte ich meine Arbeit noch und mein Bild wäre nicht in allen Zeitungen gewesen. Ich habe Elias nicht umgebracht. Das war seine Mutter. Und Jenny Lister ist nicht schuld an meinem Rausschmiss. Meine berufliche Zukunft habe ich mir schon ganz allein versaut.»
    «Sie hätte Ihnen aber doch ein bisschen mehr Rückendeckung geben können, die Geschichte etwas drehen, um Sie aus der Schusslinie zu bekommen.»
    Connie lächelte, und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie eine attraktive Frau war. «Nein», sagte sie, «das hätte sie nicht. Das war nicht Jennys Art.»
    «Wo waren Sie gestern Morgen?» Ihre Geschichte überzeugte ihn allmählich, aber das würde er ihr nicht zeigen.
    «Um wie viel Uhr?»
    «Etwa zwischen acht und halb zwölf.»
    «Bis um neun war ich hier, dann habe ich Alice zur Spielgruppe gebracht. Die fängt um Viertel nach neun an. Ich habe sie zum Gemeindesaal gefahren und dort abgesetzt, dann bin ich eine Stunde nach Hexham gefahren. Ich wollte mir was Gutes tun, habe einen

Weitere Kostenlose Bücher