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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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langweilte, stand vom Fußboden auf und kletterte auf den Schoß ihrer Mutter. Sie steckte sich den Daumen in den Mund und schlief fast ein. Connie strich ihr über die Stirn. Sie war sich bewusst, dass Veronica sie beobachtete, mit einem beinahe schon gierigen Blick.
    «Was für ein Glück Sie doch haben!», sagte Veronica. «Das ist ein wundervolles Alter.»
    Das waren konventionelle Worte, doch sie wurden mit solchem Nachdruck ausgestoßen, dass Connie sich unbehaglich fühlte. Sie spürte genau, dass Veronica sich danach sehnte, ein kleines Kind in den Armen zu halten, und wollte etwas Alltägliches, Nichtssagendes erwidern. Vielleicht haben Sie ja bald Enkelkinder. Aber schon während sie sich die Worte im Kopf zurechtlegte, wusste sie, dass sie kein Trost sein würden. Veronica wollte ein eigenes Kind. Ihr eigen Fleisch und Blut. Connie merkte, dass sie Alice ganz unwillkürlich etwas fester an sich drückte.
    «Trinken wir doch einen Kaffee!» Veronica stand auf, und die Spannung löste sich. Connie dachte, dass ihre Phantasie mit ihr durchgegangen sei. Das war der Stress des gestrigen Tages, und es war auch noch nie besonders schlau gewesen, zum Mittagessen schon etwas zu trinken. Alice schlief jetzt tief und fest. Connie verlagerte das Gewicht der Kleinen, damit sie eine Hand für den Kaffeebecher frei bekam. Der Duft war wunderbar, er erinnerte sie auf einmal an ihre erste Urlaubsreise mit Frank nach Frankreich. Ein Café in den Cévennen. Hitze und Staub und die wohlige Trägheit nach dem Sex.
    «Ich bin ja so froh, dass wir uns mal unterhalten haben.» Veronica saß jetzt dicht bei ihr, sie stieß das Gesicht nach vorne, mit diesem watvogelgleichen Stochern, das Connie vorhin schon aufgefallen war. «Ich bin so froh, dass wir die Dinge geklärt haben.»
    Connie war durcheinander. Was hatten sie geklärt?
    «Sie müssen einmal wiederkommen. Bringen Sie Alice mit, sie kann im Garten spielen. Und wenn Sie mal einen Babysitter benötigen, brauchen Sie nur zu fragen.»
    Connie trank ihren Kaffee aus, stand auf und hob Alice auf die Füße. «Komm, mein Liebling, es ist Zeit für uns zu gehen. Wach auf, sonst kannst du heute Abend nicht schlafen.» Sie spürte das dringende Bedürfnis, aus diesem Haus und vor dieser Frau mit ihren unbegreiflichen Stimmungsschwankungen davonzulaufen. An der Eingangstür blieb sie kurz stehen. Sie wollte ihr Treffen mit ein paar alltäglichen Worten beenden, nicht mit dem Gefühl zu fliehen.
    «Übrigens, hat dieser junge Mann Ihr Haus noch gefunden?»
    Veronica runzelte die Stirn. «Welcher junge Mann?»
    «Gestern um die Mittagszeit ist jemand beim Cottage aufgetaucht, er wollte zu Ihnen. Jung, sehr charmant. Ich war mir nicht sicher, ob Sie zu Hause sind, aber ich habe ihm gesagt, wie er gehen muss.»
    «Aha.» Veronica verzog das Gesicht mit äußerster Anstrengung zu einem Lächeln. «Das wird wohl ein Freund von Simon gewesen sein.» Doch Connie hatte schon gesehen, wie sie Alice wieder mit dieser verzweifelten Gier anschaute.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Fünfzehn
    Am späten Nachmittag trommelte Vera das ganze Team zu einer Besprechung in der Einsatzzentrale zusammen. Jemand hatte Tee hingestellt und mit Zuckerguss überzogene Gebäckstückchen aus der Bäckerei gegenüber. In diesem Fall gab es so viel zu bedenken, dass sie den Überblick über den Stand der Ermittlungen nicht verlieren durfte. Einmal hatte man sie für die
Police Gazette
interviewt und gefragt, welches die wichtigste Eigenschaft einer guten Kommissarin sei. «Konzentration», hatte sie geantwortet. Wenn sie selbst die vielen möglichen Szenarien nicht im Kopf behielt, durfte sie von ihren Leuten erst recht nicht erwarten, dass sie das Geschehen in den Griff bekamen.
    Holly hatte erst nicht kommen wollen, als Vera sie anrief. «Ich finde, ich sollte hierbleiben. Hannah ist echt am Boden, und wir haben einen richtig guten Draht zueinander gefunden.»
    Doch Vera bestand darauf, dass sie kam. «Sie tun ihr keinen Gefallen, wenn Sie sie von sich abhängig machen. Ist zwar prima für Ihr Selbstbewusstsein, aber für Hannah ist es genau das Falsche. Außerdem müssen wir erfahren, was Sie aus ihr herausbekommen haben. Sie können ja später wieder zu ihr, wenn Sie unbedingt meinen, aber kümmern Sie sich um eine Polizeipsychologin, die Sie ab morgen ablöst. Die sind für so was ausgebildet, und Sie nicht.»
    Also war Holly auch da. Zu ihren Füßen stand eine Tasche mit Sachen zum Übernachten, damit

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