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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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habe.»
    Obwohl ihnen allen klar war, welchen Schluss diese Worte nahelegten, reagierte Vera nicht gleich darauf. Doch sie war hocherfreut, das sah Ashworth genau. Da war dieser erwartungsvolle Schauer, den sie genauso verspürte, wenn sie an der Bar stand und er die erste Runde schmiss. «Ich dachte nicht, dass Sie so gut miteinander befreundet sind», sagte Vera und bemühte sich, ruhig zu klingen.
    «Das waren wir auch erst nicht.» Connies Miene verschloss sich und wurde ausdruckslos. «Als Veronica klar geworden ist, wer ich bin, hat sie sich erst mal wie ein Miststück verhalten. Mit ihrem Klatsch und Tratsch hat sie mir das Leben hier im Dorf zur Hölle gemacht.»
    Joe wusste, dass Vera die Bedeutung dessen, was Connie sagte, nicht ganz erfasste. Vera war immer schon eine Außenseiterin gewesen: Sie war es gewohnt, dass man sie für exzentrisch hielt, für die verrückte Kommissarin. So etwas wie eine Gemeinschaft kannte sie eigentlich erst, seit sie sich mit ihren bekifften Nachbarn angefreundet hatte. Aber für Joes Frau war es ein Albtraum gewesen, sich nach dem Umzug in ihrer Siedlung einzuleben. Nächtelang hatte sie sich in den Schlaf geweint. Wegen irgendwelcher Geschichten, in denen es um wechselseitiges Babysitten, verfallene Rabattmarken und den Elternbeirat ging. Winzige, boshafte Seitenhiebe, die im Gedächtnis haften blieben und jedes Selbstvertrauen erstickten, und die umso schlimmer waren, als es sich um kleinkariertes Zeug handelte und sie genau wusste, dass sie sich nicht darum scheren sollte.
    «Und wann hat sich Ihr Verhältnis zu Veronica verändert?», fragte er.
    «Nach Jenny Listers Tod», sagte Connie. «Auf einmal hat Veronica meine Gesellschaft gesucht. Sie hat mich zum Essen eingeladen. Vielleicht war es ja nur die Sensationsgier, die die Leute packt, wenn so was in der Zeitung steht. Der fragwürdige Ruhm aus zweiter Hand scheint sie anzuziehen.»
    «Und Sie haben ihre Einladung erwidert.» Vera grinste wie eine Wölfin. «Die gute Nachbarin.»
    «Ich habe mich einsam gefühlt», sagte Connie. Und Joe, dem die Trostlosigkeit in ihrer Stimme auffiel, verstand, wie elend ihr zumute gewesen sein musste, und dachte, wie tapfer sie doch alles am Laufen gehalten hatte. «Ja, ich habe die Einladung erwidert. Sie war hier, als Alice die Tasche gefunden hat.»
    «Und wie hat sie darauf reagiert?» In Veras Augen funkelte es: Die Wölfin witterte ihre Beute.
    «Sie hat sich Sorgen gemacht, weil Alice so nah am Wasser gespielt hat», erwiderte Connie. «Später dann, als ich die Polizei rufen wollte, hat sie gesagt, sie geht jetzt nach Hause, sie will nicht stören. Sie wäre bloß im Weg.»
    «Sehr taktvoll.» Wieder nickte Vera. «Es ist wirklich lästig für uns, wenn überall Leute rumhängen, die sehen wollen, was wir da machen.»
    «Sie hat angeboten, Alice mitzunehmen.»
    «Wie nett», sagte Vera. «Umsichtig.» Sie schwieg kurz. «Ich nehme an, Sie haben sie kommen sehen. Sie können den Weg, der von den Eliots herführt, doch gut überblicken.»
    «Nein.» Ashworth hatte den Eindruck, dass Connie genau wusste, worauf die Frage hinauslief, sich aber dumm stellte. «Veronica ist zu früh gekommen. Ich war noch dabei, hinten im Haus sauber zu machen. Sie stand plötzlich in der Küche und hat mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.»
    Vera zauberte das breite, anerkennende Lächeln auf ihr Gesicht, das demjenigen, der davon erfasst wurde, das Gefühl gab, der wichtigste Mensch auf Erden zu sein. «Rein hypothetisch hätte Veronica die Tasche auf dem Weg ums Cottage herum also ins Unkraut werfen können. Sie konnte ja nicht ahnen, dass die Kleine heute Nachmittag da spielen würde.»
    «Rein hypothetisch», sagte Connie, «hätte sie das wohl gekonnt.»
    Sie standen auf. «Sagt Ihnen der Name Danny Shaw etwas?», fragte Vera.
    Connie runzelte die Stirn. «Nein. Sollte er?»
    «Das wird morgen früh als Erstes in den Nachrichten sein. Danny war ein Student. Er ist heute Nachmittag erdrosselt worden, im Haus seiner Eltern, ein Stück weiter das Tal rauf.»
    Plötzlich wirkte Connie angespannt. Ashworth sah, dass ihr Instinkt ihr riet, ihre Kleine zu packen und mit ihr wegzurennen, sie an irgendeinen sicheren Ort zu bringen.
    «Der gleiche Mörder?»
    «Nicht unbedingt», sagte Vera. «Aber die Fälle hängen zusammen. Wir sind sicher, dass sie zusammenhängen.»
    Natürlich hängen die Fälle zusammen, dachte Ashworth. Aber diesen Zusammenhang mussten sie erst einmal beweisen.

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