Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
Inhaltsübersicht]
    Kapitel Siebenundzwanzig
    Ashworth hatte eigentlich erwartet, dass Vera ihn sofort zum Haus der Eliots schleifen würde, egal, wie spät es schon war. Er hatte gespürt, wie aufgewühlt sie war, als Connie Masters von Veronicas Besuch erzählte, und schließlich gehörte Vera nicht zu den geduldigen Menschen. Aber als sie vor dem Cottage bei den Autos standen, überraschte sie ihn und sagte, für heute sollten sie es gut sein lassen.
    «Sie wollen nicht mit dieser Eliot sprechen?»
    Vera blickte die Straße hinauf, dorthin, wo das große Haus in der Dunkelheit weiß schimmerte. «Glauben Sie, sie hat uns vorhin beobachtet? Überlegt sie jetzt, was wir wohl über sie herausgefunden haben? Ich wette, dass sie mit einem Fernglas oben in einem der Schlafzimmer saß.»
    «Kann schon sein.»
    «Dann lassen wir sie doch noch etwas schmoren, meinen Sie nicht? Wir bescheren ihr eine schlaflose Nacht und statten ihr morgen einen Besuch ab.»
    «Haben Sie Lust auf ein Bier?», fragte er. Das war seine Art, Frieden zu schließen, die feindselige Stimmung zu beenden, die seit dem Morgen zwischen Vera und ihm herrschte. Sie waren wie ein altes Ehepaar, das sich ständig zankte, dachte er. Letzten Endes konnten sie ohne einander nicht leben, einer von beiden musste nachgeben. Und für gewöhnlich war er das.
    «Ich dachte schon, Sie fragen nie, Herzchen. Wissen Sie was, heute gebe ich einen aus. Als ich neulich in diesem Geschäft in Hexham war, wo sie die ganzen regionalen Delikatessen verkaufen, habe ich ein paar Flaschen
Wylam
besorgt. Kommen Sie doch mit zu mir, ich mache Ihnen auch ein Sandwich.»
    Nur damit Sie nach einem Abstecher in den Pub nicht noch fahren müssen. Doch er sagte nichts. Er würde ohnehin noch fahren müssen – Sarah brächte ihn um, wenn er besoffen mit dem Taxi heimkäme. Er hatte sie schon angerufen, um ihr zu sagen, dass es sehr spät werden würde. «Klar», antwortete er. «Warum nicht?»
     
    In der gesamten Grafschaft gab es wohl keinen entlegeneren Ort als den, an dem Veras Haus stand. Es klebte eingekeilt auf halber Höhe an einem Berg, und die Zufahrt war ständig unpassierbar, entweder weil es schneite oder weil sich der Weg, kaum, dass es regnete, in einen Fluss verwandelte. Wenn Vera privat unterwegs war, nahm sie immer noch Hectors Land Rover, und es war noch nie vorgekommen, dass sie wegen des Wetters nicht zur Arbeit erschienen war. Ashworth hegte den Verdacht, dass die abgedrehten Hippies dann mit Schneeschaufeln anrückten und sie freischaufelten, um sich dafür erkenntlich zu zeigen, dass sie die Augen vor allem verschloss, was in deren Haus so ablief. Vielleicht schlug sie ihr Lager aber auch im Pub des nächstgelegenen Dorfs auf, sobald schlechtes Wetter angekündigt war. Nur wegziehen würde sie nie. Sie war in den Bergen groß geworden und wurde zappelig und mies gelaunt, wenn sie länger als einen Tag woanders sein musste.
    Doch der Ausblick war phantastisch, das musste Joe zugeben. Jetzt war es zu dunkel, um ihn zu bestaunen, aber er kannte ihn von anderen Besuchen. Eine offene Moorlandschaft, so weit das Auge reichte, mit einem kleinen See, wo die Gänse überwinterten. Durchs Tal schlängelte sich der Coquet, der ins Meer mündete, und von Veras Haus aus sah man auf ein kleines, graues Dorf mit einem verfallenen Wehrturm hinunter. Bei ihren Nachbarn hatten die Schafe gelammt, selbst im Haus konnten sie die Mutterschafe jetzt noch blöken hören. Verkehrslärm hörte man hier nie. Nur hin und wieder einen Düsenjet vom Militärflugplatz in Boulmer auf seinem Übungsflug durchs Tal.
    Sie saßen da und sprachen über Jenny Lister und dann über Danny Shaw. Er hatte sich eine Flasche Bier genommen und trank langsam; bis er fertig war, hatte Vera schon drei Flaschen intus. Sie hatte Wort gehalten und Sandwiches gemacht, und während sie kaute, redete sie ohne Pause, ließ ihm kaum eine Chance, selbst etwas zu sagen. Das war nun mal seine Rolle bei solchen Anlässen: Er war ihr Publikum, an ihm probierte sie ihre Theorien aus. Auf diese Weise verarbeitete sie das Gehörte am besten. Einmal, nachdem er bis spät nachts einem solchen Monolog gelauscht hatte, hatte er sie am Rande der Verzweiflung gefragt, wofür sie ihn überhaupt brauche. «Sie ignorieren alles, was ich sage. Ohne mich bekämen Sie das doch genauso gut hin.»
    Sie war erstaunt gewesen. «Unsinn, alter Junge. Wenn Sie nicht hier wären, würde ich das alles gar nicht so gründlich durchdenken. Sie

Weitere Kostenlose Bücher