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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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das George. Und bleib im Haus. Kann sein, dass ich dich brauche.«
    Sie nickte.
    Richard ging die Stufen zum Phaeton hinunter, Charlotte folgte ihm. Was hätte sie sonst auch tun können?
    Da flogen hinter ihnen die Türflügel auf, und Rose kam herausgeeilt. »Wartet!«
    Charlotte blieb stehen.
    »Wie ging es ihr vor ihrem Tod?«
    »Ihrer Großmutter ging es gut«, antwortete Charlotte. »Sie hat oft von Ihnen und den Jungs gesprochen. Sie hatte noch Ihre sämtlichen Geschenke. Auf die Brille, die Sie ihr geschickt hatten, war der ganze Ort neidisch. Mary Tomkins wurde vor Eifersucht beinahe krank.«
    Ein gehetzter Blick flog über Roses Miene.
    »Sie war gesund«, fuhr Charlotte fort. »Ich habe dafür gesorgt, mit ihren Wehwehchen Schritt zu halten. Sie wurde geachtet. Ihre größte Sorge war, die Kuckucksuhr in ihren Haaren nicht zu verlieren. Sie wusste, wie sehr Sie und die Jungs sie liebten, Lady Camarine. Es war ihre Entscheidung, im Edge zu bleiben, nicht ein Gespann Wildpferde hätten sie von dort wegbekommen. Ihre Großmutter hat sich niemals als Opfer betrachtet. Es mag vermessen von mir sein, aber ich möchte Ihnen empfehlen, sie auch nicht so zu sehen. Wenn schon, dann tragen diejenigen die Schuld, die sie umgebracht haben – und ich, denn als sie Hilfe brauchte, war ich nicht schnell genug.«
    Charlotte drehte sich um und ging zum Phaeton. Sie fühlte sich verbraucht, leer und völlig ausgelaugt.
    »Lady de Ney!«, rief Rose.
    Charlotte drehte sich noch mal um.
    Rose verneigte sich. Eine im Weird übliche tiefe, formelle Verbeugung. »Ich gebe Ihnen nicht die Schuld. Ich danke Ihnen, dass Sie sich um meine Großmutter gekümmert haben.«
    »Gern geschehen«, gab Charlotte zurück. Sie wollte nur noch weg.
    Richard öffnete die Tür des Phaetons für sie, und sie stieg ein.
    »Wir werden nicht lange unterwegs sein«, versprach er und schloss die Tür. Sie hörte, wie er auf der Fahrerseite einstieg, wo das Armaturenbrett ihn erwartete. Dann schoss der pferdelose Phaeton die Straße hinunter.
    Zwei Jahre, rief sie sich ins Gedächtnis, so lange hatte Richard bis hierher gebraucht. Sie war erst seit weniger als einer Woche dabei. Die schwierigste Woche ihres Lebens, und doch nur eine Woche.
    Regen prasselte auf den Phaeton. Charlotte schaute aus dem Glasfenster und sah graue Wasserschleier. Die Regentropfen bombardierten das Dach, glitten über die glatten Kunstharzwände, als stünden sie unter einem Wasserfall und blieben trotzdem vollkommen trocken. Charlotte verbarg ihr Gesicht in den Händen und weinte. Ein wortloses, stummes Schluchzen, geboren aus schierem Druck, der ihr, eher um Stress abzubauen denn aus echter Traurigkeit, die Tränen aus den Augen presste.
    Der Phaeton hielt an. Als die Tür erneut aufging, sprang sie dankbar, dass der Regen ihr die Spuren der Schwäche vom Gesicht waschen würde, in den Wolkenbruch hinaus.
    Hohe Bäume säumten eine schmale Auffahrt. Vor ihr duckte sich ein Haus wie ein zottiger Bär in den Regen. Sie konnte die dunklen Holzwände unter dem mit grünem Moos bewachsenen Dach kaum erkennen. Über dem Haus zuckten Blitze. Einen Augenblick später zerriss Donner das Rauschen des Regens. Richard nahm ihre Hand, gemeinsam stürmten sie über die Auffahrt zum Haus. Charlotte erklomm die Stufen zu der schmalen Veranda, Richard hielt ihr die Tür auf, und sie huschte dankbar hinein.

10
    »Licht«, sagte Richard.
    An den Wänden leuchteten fahl gelbe Laternen auf und tauchten die Hütte in wohltuendes Licht. Die zarten, mattierten Kugeln hingen an den Holzbohlen wie leuchtende Weintrauben. Die Hütte war offen und schlicht eingerichtet, in der Mitte standen sich zwei große Sofas gegenüber, flankiert von einem dick gepolsterten Sessel, alles in einem ansehnlichen maskulinen Braun gehalten. Zwischen den Sofas eine klassische andrianglianische Feuerstelle, eine rechteckige Anlage aus Stein mit einem teilweise von einer Abzugshaube überschatteten Rost.
    Links führten Holzstufen zu einem kleinen Dachboden mit einem Bett. Unter der Treppe stand ein Schreibtisch, auf dem sich Papiere stapelten. Eine Wand war mit einer großen Karte von Adrianglia dekoriert, darauf Pfeile und Anmerkungen von Richards Hand.
    Rechts drängte sich eine Küche samt verziertem Gefrierschrank und kleinem Herd in den hinteren Winkel.
    Richard ließ Charlotte stehen, entzündete ein Streichholz und warf es in die Feuerstelle. Im nächsten Moment loderten Flammen auf. Offenbar hatte er das Feuer

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