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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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wahrscheinlicher war, nur zu ganz bestimmten Gelegenheiten aufgesucht. Ausgesprochene Modesünden kamen nicht infrage, als Modeikone wollte sie andererseits aber auch nicht gelten.
    Auf den zweiten Blick bevorzugte der Earl ebenfalls einen etwas betagteren Schnitt, dachte Charlotte. Sie erkannte, dass Rose so nah bei ihm stand, dass sie ihm die Kleider zurechtzupfen konnte. Sie wurde so sehr geliebt. Ein vertrauter, mit der Zeit stumpf gewordener Schmerz traf Charlotte. Die beiden hatten, was sie sich wünschte, ihr aber beharrlich verweigert wurde. Rose hatte solches Glück.
    Links von Rose stand ein Mädchen, kaum älter als fünfzehn, und als Charlotte ihr Gesicht sah, konnte sie nicht umhin, sie anzustarren. Sie war nicht nur hübsch oder schön, sondern beides in fast schockierendem Ausmaß. Das Gesicht, ein perfektes Oval, hatte die hohen Wangenknochen und den kleinen, aber vollen Mund, die als begehrenswert galten. Ihre Nase ließ einen Hauch Exotik erahnen, mit geraden, für Adrianglia jedoch ungewöhnlichen Linien, ein Eindruck, der von den Augen noch verstärkt wurde. Groß, breit, an den Innenwinkeln nur ein wenig länglich, ließen sie auf ein Geheimnis, ein ungewöhnliches Erbe und das Versprechen einer gewissen Gefährlichkeit schließen. Sie war nicht bloß umwerfend, sie sah auch interessant aus, was unendlich viel mehr war als klassische Vollkommenheit und Schönheit. Sie hätte einen Ballsaal voller Menschen betreten können, und jeder darin hätte sich nach ihr umgedreht.
    Obwohl sie sich noch niemals begegnet waren, kam ihr diese dunkle, unvergessliche Schönheit bekannt vor. Charlotte war sich vollkommen sicher.
    Richard breitete die Arme aus.
    Das Mädchen sauste die Treppe hinunter.
    Er fing sie auf und drückte sie, und Charlotte ging auf, woher sie sie kannte: Sie sah die Anklänge an Richard in dem schönen Gesicht. Hatte er eine Tochter? Nein, das konnte nicht sein – er hatte doch gesagt, er sei kinderlos.
    »Richard«, rief Declan. »Schön, dich in einem Stück zu sehen. Aber wieso sind die Jungs bei dir?«
    Rose schaute an ihnen vorbei nach ihren Brüdern. »Ist was passiert? Warum seht ihr zwei denn so aus?«
    George holte tief Luft.
    »Du ziehst alles nur in die Länge.« Jack schob sich an seinem Bruder vorbei nach vorne.
    Oh, nein
.
    »Großmutter ist tot, Dad hat für die Leute gearbeitet, die sie ermordet haben, und George hat Dad getötet, auch wenn er es nicht zugeben will.«
    Charlotte sah Rose an und erkannte, dass die Welt der Frau in Scherben zerbrach.
    Charlotte saß in dem weichen Sessel in Declan Camarines Arbeitszimmer. Richard fläzte sich in dem Gegenstück. Das Mädchen kauerte wie ein treues Hündchen zu seinen Füßen, eine Pose, die im kompletten Widerspruch zu ihrer Kleidung und ihrem Alter stand. Sie hätten einander vorgestellt werden müssen, andererseits hatten alle Wichtigeres zu tun. Irgendwo im Haus versuchte Rose, sich einen Reim auf die Ereignisse zu machen. Ihre Brüder waren bei ihr. Charlotte hatte ihr Trost zu spenden versucht, doch es lag auf der Hand, dass Rose allein sein wollte, also hatte sie sich stattdessen Richard angeschlossen.
    Declan klappte am Schreibtisch das rote Hauptbuch zu. »Die Beweise sind erdrückend.«
    »Die Spur der Gelder lässt sich genau zurückverfolgen«, nickte Richard.
    »Und ob.« Declan machte ein grimmiges Gesicht. Sie hatte ein feierlicheres Gebaren von ihm erwartet. Vielleicht schockierte ihn der Inhalt der Bücher, oder die schiere Wucht der Tragödie, die seine Frau zu bewältigen versuchte, hielt ihn noch in ihrem Bann. »Alles passt perfekt. Brennans Position im Innenministerium erlaubt ihm, mein Büro zu überwachen. Er leitet die Abteilung Innere Sicherheit. Meine Leute sind gesetzlich verpflichtet, das Ministerium über jede Operation in Kenntnis zu setzen, die die Verlegung von mehr als zehn Marschällen erfordert. Er wusste also immer, wo er zuschlagen konnte, bevor wir auch nur in seine Nähe kommen konnten.«
    Declan verstummte.
    »Und, Mylord?«, soufflierte Charlotte vorsichtig.
    Er sah sie an. »Und wenn es jemand anderer als Brennan wäre, würde ich auf der Stelle etwas unternehmen.«
    Richard beugte sich vor. »Die Zahlen lügen nicht. Prüfe seine Konten. Dort sind alle Zahlungen an ihn aufgelistet.«
    »Wenn es sich um jemand anderen handeln würde, dann würden mein Name und meine Stellung ausreichen, um mir Zugriff zu verschaffen und dem Verdächtigen sämtliche Mittel und Wege aus der Hand zu

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