Seelentraeume
Geschäft mit. Sie haben drei Kinder, zwei eigene, eins hat ihr Mann aus erster Ehe mitgebracht. Kaldar wollte wissen, ob er ihr kleines Glück zerstören sollte. In diesem Moment wusste ich, dass ich trotz aller Bemühungen kein makelloser Mann bin, weil ich ein paar Minuten ernsthaft darüber nachgedacht habe, ob ich sein Angebot annehmen soll. Aber irgendwie habe ich es dann doch gelassen.« Richard verzog das Gesicht. »Und jetzt habe ich Ihnen meine rührselige Geschichte erzählt, obwohl ich das überhaupt nicht vorhatte.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich niemandem etwas erzähle«, sagte sie.
»Darum geht es gar nicht.«
»Worum dann?«
Er biss die Zähne zusammen, sein Mund bildete eine dünne, entschlossene Linie.
»Richard?«
»Ich will nicht wie ein bedauernswerter Narr erscheinen«, sagte er leise. »Bisher haben Sie mich als Killer und als Monster erlebt, und jetzt habe ich Ihrem Bild eine trübsinnige Sentimentalität hinzugefügt und mich Ihrem Mitleid oder Ihrem Gelächter ausgesetzt. Ich schieße immer übers Ziel hinaus.«
Ihr Puls beschleunigte sich. Charlotte schnappte nach Luft. »Und was ist das Ziel?«
»Das Ziel ist es, tüchtig und selbstsicher zu sein. Ein besserer Mann, als ich bin.«
Wieder sah er sie mit intensiver männlicher Begierde an. Sie konnte sich das unmöglich nur einbilden. Die Begierde war da, unübersehbar. Charlotte fragte sich, ob sie überhaupt vollständig verstand, was dieser Blick bedeutete. Nein, wahrscheinlich nicht.
Er wollte um ihretwillen besser sein, wollte, dass sie ihn mochte, und er hatte ihr etwas erzählt, das er eigentlich für sich behalten wollte. Sie hätte ihm gerne gesagt, dass sie ihn verstand, und etwas ähnlich Intimes mit ihm geteilt …
»Ich hätte fast meinen Exmann umgebracht.« Das platzte einfach so aus ihr heraus. Mutter der Morgenröte, warum um alles in der Welt hatte sie das gesagt? Von allem, was sie ihm hätte sagen können, stand das am unteren Ende der Liste.
Richard riss die Augen auf.
»Ich bin so eine Idiotin«, flüsterte sie.
Der Phaeton hielt. Unwillkürlich schaute sie aus dem Fenster. Vor ihnen lag ein wunderschönes Herrenhaus, drei Stockwerke beigefarbener Steinmauern, Bogenfenster und eine Kaskade heller Treppenstufen, die sich auf einen grünen Rasen ergoss.
George öffnete die Tür. »Willkommen auf Camarine Manor.«
Er bot ihr seinen Arm an. Sie legte ihre Hand darauf und stieg aus. Oben auf der Treppe wurden sie von drei Personen erwartet. Der Mann war zweifellos ein Blaublütiger: groß, breitschultrig, kampferprobt. Ein klassisch schönes Gesicht. Er hatte sich dafür entschieden, sein hellblondes Haar zu einem langen Pferdeschwanz zu binden, der den maskulinen Schnitt seiner Kinnpartie betonte.
Die Frau neben ihm musste Rose sein. Sie hatte eine perfekte Figur, weder allzu schlank noch zu mollig, aber gut trainiert. Ihr hübsches Gesicht besaß feine Züge, ihre großen Augen waren von natürlich dichten Wimpern eingerahmt, für die Charlotte an einem bestimmten Punkt ihres Lebens ihren rechten Arm gegeben hätte. Dass sie aus dem Edge kam, war nicht zu übersehen. Allerdings waren es weder mangelnde Schönheit oder Haltung, die sie verrieten, sondern ihr eigenwilliger Stil. Sie passte nicht so recht in diese Umgebung und hätte sich ebenso gut ein Schild mit der Aufschrift »Amateur« umhängen können.
Ihr Kleid entsprach vermutlich dem letzten Schrei – der Stoff von guter Qualität, die Verarbeitung makellos –, doch das blasse Gelb, eigentlich eine schöne Farbe, passte nicht gut zu ihrem Teint. Ihr Haar war für einen Abend zu Hause zu gut frisiert, und die Art, nach der ihre Locken gelegt waren, hätte besser in den Winter als ins späte Frühjahr gepasst. Das Gesamtpaket hätte einer etwas älteren Frau besser gestanden, die sich das Recht, von der aktuellen Mode abzuweichen, durch ihren Status, ihre Leistungen oder ihre Reputation erworben hatte. Doch Rose gehörte noch zu einer Altersklasse, in der man von Frauen erwartete, dass sie dem Modediktat gehorchten. Vermutlich folgte sie dem Beispiel einer anderen Frau, vielleicht der Mutter des Earls oder seiner viel älteren Schwester.
Die Camarines beschäftigten vermutlich einen Stylisten, trotzdem ließ sich keine Frau gerne sagen, dass sie in Bezug auf Kleidung keinen makellosen Geschmack besaß. Wenn Éléonores Geschichten über Roses Charakter stimmten, hatte sie es entweder sattgehabt und ihren Berater gefeuert oder ihn, was
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