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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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nehmen. Aber in diesem Fall … Er ist der Vetter des Königs«, sagte Declan. »Sein Lieblingsvetter, der Mann, den der König als seinen jüngeren Bruder betrachtet. Ich kenne Brennan. Er ist klug, und er bewegt sich im Innenministerium wie ein Fisch im Wasser. Ihm unterlaufen keine Fehler.
    Wenn ich auf der Grundlage dieses Hauptbuchs eine Kontoprüfung beantrage, muss ich meinen ganzen Einfluss und die Reputation meines Vaters und meiner Mutter in die Waagschale werfen, um überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ein halbes Dutzend Leute werden das Buch prüfen, von denen keiner sich freiwillig zur Zielscheibe machen will. Brennan wird sofort Bescheid wissen. Irgendwer wird es ihm in der Hoffnung auf eine Einladung zum nächsten königlichen Picknick stecken. Dann wird man mich fragen, wie ich in den Besitz des Hauptbuchs gelangt bin, eine Frage, die ich, wie viele andere, unmöglich beantworten kann.
    Die Tage werden vergehen, die Buchprüfung wird sich hinziehen, bis er sich schließlich melden und vorschlagen wird, die Angelegenheit friedlich beizulegen, weil er nichts zu verbergen hat. Anschließend prüfen wir seine Konten und finden nichts mehr. Unser Hauptbuch wird als Fälschung denunziert. Entschuldigungen wird er großmütig und gnadenreich annehmen, während ich im besten Fall als übermäßig ehrgeizig, humorlos und naiv und im schlimmsten Fall als eifersüchtig und rachsüchtig dargestellt werde. Meine Glaubwürdigkeit dürfte zerstört sein, ich werde zurücktreten müssen, und sobald ich weg bin, wird Brennan seine widerwärtigen Geschäfte nach Belieben fortsetzen können.«
    Charlotte schwieg wie betäubt. Die Fetzen ihres Sieges verflogen und vergingen zu nichts.
    »Das war’s dann also? Alles umsonst?«
    »Nein«, gab Declan zurück. »Wir wissen jetzt, wer Brennan wirklich ist, was bedeutet, dass wir unser Vorgehen gegen den Sklavenhandel besser abschirmen können. Die Schließung des Marktes war für ihn ein herber Rückschlag. Wenn wir den Sklavenhandel weiter nachhaltig schädigen und während der nächsten Jahre seine Gewinnspanne drastisch kürzen, gelangt er vielleicht zu dem Schluss, dass ihn die Fortsetzung seiner Aufsicht zu teuer kommt.«
    Vor Charlottes geistigem Auge erschien Tulips gequältes Gesicht. »Nein.«
    Die beiden Männer sahen sie an.
    »Nein«, wiederholte sie. »Das genügt nicht. Jahre? Haben Sie eine Ahnung, was ich erlebt habe? Wissen Sie, was uns diese paar Jahre kosten werden?«
    »Charlotte«, sagte Richard leise. Die Heranwachsende blickte sie mit ihren dunklen Augen alarmiert an.
    Als Charlotte an sich hinabschaute, sah sie sich von den dunklen Strömen ihrer Magie umflossen. Sie begann die Beherrschung zu verlieren. Sofort verbarg sie ihre Schande wieder in ihrem Innern.
    »Meine Hochachtung und Bewunderung für Ihre Aufopferung ist Ihnen gewiss, Mylady.« Declan erhob sich und verbeugte sich vor ihr. »Ich weise lediglich auf die Tatsachen hin.«
    »Was benötigst du, um ihn fertigzumachen?«, wollte Richard wissen.
    »Ein Geständnis«, antwortete Declan. »Am liebsten vor einem Dutzend unbestechlicher Zeugen.«
    Ausgeschlossen. Stück für Stück starb etwas in Charlotte. Vielleicht ihre Hoffnung.
    »Dann werden wir es dir beschaffen müssen.« Richard stand auf. Declan tat es ihm gleich. Auch Charlotte kam wieder auf die Beine.
    »Fühlen Sie sich hier ganz wie zu Hause«, sagte Declan.
    Richard warf ihr einen Blick zu. Behutsam schüttelte Charlotte den Kopf. Sie mussten mit ihrer Trauer alleine sein und als Familie damit fertigwerden. Richard und sie gehörten nicht dazu, und Charlotte wollte mit ihrer Verzweiflung ebenfalls allein bleiben.
    »Danke. Das ist sehr großzügig von dir, aber ich glaube, es ist das Beste, wenn wir weiterziehen«, antwortete Richard. »Je weniger man uns zusammen sieht, desto besser.«
    Declan führte sie aus seinem Büro.
    Inzwischen bedeckten dichte, bleigraue Wolken den Himmel. Ein Windstoß fuhr ihr ins Haar – ein Sturm kam auf. Charlotte kam zum ersten Mal zum Bewusstsein, dass sie noch dieselbe Kleidung trug wie auf der Insel. Ihre Hose war blutbespritzt, Spuren von Richards Schwert. Ihre Tunika stank nach Rauch. Sie sah aus wie ein Wrack. Ein Wunder, dass man sie so überhaupt hier hineingelassen hatte.
    Das Mädchen starrte Richard auf der Treppe in stummer Verzweiflung an.
    Er drückte sie und küsste sie sanft aufs Haar. »Ich werde in der Zuflucht sein.« Damit gab er ihr ein gefaltetes Blatt Papier. »Gib

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