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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Füßen nieder und leckte ihr die Knöchel. Sie sank über ihre gebeugten Knie und weinte wie ein Kind.
    Bitte. Bitte, mach, dass ich aufwache
.
    Sie weinte, weinte und weinte und bebte innerlich. Das war so verdammt unfair. Warum? Warum hatten sie sterben müssen? Sie hatte die Schweinehunde, die sie umgebracht hatten, getötet, aber dadurch wurde es nicht besser. Sie war dadurch lediglich in einen Kreislauf aus Leid und Tod eingetreten, in dem sie von nun an gefangen sein würde, zornig, trauernd und ohnmächtig.
    Ihre Tränen versiegten, sie schluchzte trocken. Charlotte konnte keine Salbe, keine Umschläge, keine Pillen herstellen, die Linderung verhießen. Tot blieb tot. Niemand konnte das Leid der Opfer oder ihr eigenes wiedergutmachen.
    Schließlich ließ sogar das trockene Schluchzen nach. Erschöpfung überfiel sie.
    Sie fühlte sich allein, völlig allein. Sie hob den Kopf, richtete sich auf und bemerkte den Stoff, der ihre Schulter berührte. Richard hatte ihr seinen Mantel umgelegt. Sie hatte es nicht mal bemerkt.
    »Danke.« Charlotte zog den Mantel enger um sich. Das war eine freundliche Geste, die im krassen Widerspruch zu seinem Bekenntnis stand, ein Killer zu sein, und der Gefährlichkeit, die er nach wie vor ausstrahlte.
    Gegen die raue Rinde gelehnt, saß er neben ihr, sein Profil hob sich vom mondhellen Himmel ab. Unter anderen Umständen hätte ihr seine Nähe womöglich Angst eingejagt. Jetzt war sie zu benommen und emotional am Ende, um Furcht empfinden zu können.
    »Ich vermute, Sie bereuen bereits, mich mitgenommen zu haben«, sagte sie.
    »Das bereue ich seit dem Moment, in dem ich mich dazu durchgerungen habe.«
    Das verletzte ihren Stolz. »Ich werde Ihnen schon nicht zur Last fallen.«
    Er sah sie an, in seinen dunklen Augen stand Sorge. »Ich habe in Ihnen keine Last gesehen.«
    »Warum dann?«
    Er blickte zum Mond hinauf. »Manche Menschen kommen mit dem Instinkt eines Raubtiers zur Welt und werden zu Killern. Ich zum Beispiel. Sie nicht.«
    Er hatte wohl vergessen, dass sie kürzlich erst ein Dutzend Männer getötet hatte. »Warum? Weil ich eine Frau bin?«
    »Nein, der Grund ist nicht so offensichtlich wie Ihr Geschlecht. Meine Tante war der beste Killer, den ich kannte. Aus welchem Grund auch immer werden einige Menschen als Killer geboren, während andere, Männer wie Frauen, dazu geboren sind, andere Menschen zu fördern. Ihre Instinkte veranlassen Sie, anderen zu helfen, meine veranlassen mich, Leben zu beenden.«
    Sie zog die Nase hoch. »Sie kennen mich nicht.«
    Richard lächelte. Er war trotz des Drecks ein erstaunlich gut aussehender Mann. Arrogant, ein Raubtier, aber gut aussehend.
    »Die Killer unter uns lernen, ihresgleichen zu erkennen, denn unsere Rivalen stellen eine Gefahr dar.«
    »Und ich tue das nicht?«, fragte Charlotte leise.
    Wieder lächelte er. Diesmal wirkte seine Miene beinahe schwermütig. »Selbst der friedfertigste, freundlichste Mensch wird gefährlich, wenn man ihn in eine Ecke drängt. Ich stelle ja gar nicht Ihre Macht infrage, aber Ihnen fehlt die angeborene Aggressivität oder der Raubtierinstinkt eines geborenen Killers. Ich war mein ganzes Leben lang einer, aber was ich während der vergangenen Monate erlebt und getan habe, verfolgt mich. Und ich weiß, was uns bevorsteht. Ich weiß, dass Sie ein Problem damit haben werden. Sie mögen glauben, dass es um Trauer geht und dass Sie damit fertigwerden, aber Ihre Trauer ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber umkehren wollen? Es wäre mir eine Ehre, Sie ins Edge zu begleiten.«
    »Nein.«
    »Meinen Sie, die Edger würden Sie nicht mehr reinlassen?«
    Sie seufzte. »Nein, aber ich kann nicht zurück nach East Laporte. Als die Sklavenhändler das Haus umstellten, hat Éléonore mich angerufen. Ich bin zu unseren Nachbarn gefahren, um sie um Hilfe zu bitten. Sie haben mehr als zwanzig Leute mit Schusswaffen zusammengetrommelt, die nur herumstanden und nichts unternommen haben.«
    »Niemand wollte kämpfen«, nickte Richard. »Vermutlich haben sie so lange rumgetrödelt, bis die Sklavenhändler wieder verschwunden waren. Typisch Edger.«
    Sie wandte sich ihm zu. »Ja. Éléonore hat ihr Leben lang dort gelebt. Sie hat vielen dieser Menschen geholfen, trotzdem haben sie nichts für sie getan und sie lieber sterben lassen. Und als ich sie darum bat, diese Dreckskerle zu verfolgen, konnte mir nicht einer in die Augen schauen. Nein, ich kann unmöglich dorthin

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