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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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zurück. Ich habe mich entschieden. Ihre Beweggründe kenne ich nicht, aber meine gelten auf jeden Fall ebenso viel. Respektieren Sie bitte meinen Wunsch nach Gerechtigkeit.«
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Ich werde nicht noch mal davon anfangen.«
    Charlotte fuhr sich mit dem Ärmel durchs Gesicht und erhob sich. Auch Richard stand auf.
    Sie hielt ihm seinen Mantel hin. »Danke für den Mantel.«
    »Mit Vergnügen.«
    Richard hielt ihr Pferd am Zügel, während sie ihren Fuß in den Steigbügel setzte und aufstieg. Dann reichte er ihr die Zügel, stieg in den Sattel, und sie ritten weiter.
    Eine halbe Stunde später teilte sich der Wald. Charlotte brachte ihr Pferd zum Stehen. Vor ihr erstreckte sich ein weites, mit hüfthohem Gras bewachsenes Feld in die Ferne, wo unter einem bodenlosen dunklen Himmel ein Perlmuttmeer an seinen Ufern leckte. Linker Hand ragten unvorstellbar hohe Türme aus den Salzfluten des Ozeans. Aus hellgrauem Stein erbaut, war ihr dreieckiger Grundriss an den Ecken leicht abgerundet. An jeden Turm schloss sich eine türkisfarbene Metallwelle an, die sich in Rinnsalen über die steinernen Flanken ergoss, wie eine Kletterpflanze, die ein Netzwerk dünner Wurzeln ausgetrieben hatte. Das Mondlicht schimmerte auf dem Metall, sein Glanz traf sich mit den Spiegelungen des friedlichen Ozeans. Die Türme bildeten einen perfekten Halbkreis und schlossen die Stadt wie Wellenbrecher fast vollständig ein.
    »Kelenas Zähne«, erklärte Richard. »Wenn ein Hurrikan aufzieht, projizieren die Türme eine magische Barriere, die die Stadt vor den Stürmen und den schlimmsten Auswirkungen der Flutwelle schützt.«
    »Es sieht aus, als stünde die Stadt halb im Wasser.«
    »Etwa zu einem Drittel. Kanäle durchziehen sie, und wenn die Flut kommt, fließt das Wasser einfach durch die Stadt in die Salzmarschen ab. Das Gras ist trügerisch. Es gibt darunter keinen festen Boden, nur Sumpfland mit einer flachen Wasserschicht über dem Morast. Der perfekte Lebensraum für Hornschildkröten, die bis zu anderthalb Metern groß werden und mit ihren Zähnen einen menschlichen Oberschenkelknochen in der Mitte durchbeißen können. Zum Glück sind sie langsam und trauen sich nur selten bis auf die Straße. Wollen wir?«
    Charlotte nickte, und sie trabten über die Landstraße Richtung Stadt. Sie konnte jetzt zwischen den Türmen hindurchblicken, und aus ihrer Perspektive im Sattel sah das Innere der Stadt aus wie ein Gewirr aus Dächern, Balkonen und hellen, ausgefransten Fahnen. Ein menschlicher Bienenstock, wie Richard gesagt hatte: schmutzig, chaotisch, voller Fremder. Sie spürte eine unbestimmte Furcht in sich aufsteigen. Aus der Ferne wirkte die Stadt zu groß und zu dicht bevölkert. Während Charlotte auf dem College davon geträumt hatte zu reisen, hatten ihre Ehe und das Haus nach ihrem Abschluss immer Vorrang gehabt.
    Und nun ritt sie in Begleitung eines zwischen den Welten geborenen Mannes, der mit seinem Schwert Stahl durchhieb und über makellose Manieren verfügte, unter dem Nachthimmel auf dieses Gewimmel zu. Unwirklich.
    »Mein Bruder hat erzählt, dass es im Broken an derselben Stelle eine Stadt gibt. So wie er sagt, haben ihre Bewohner eine ungesunde Vorliebe für Piraten.«
    Sie fand seine Stimme seltsam beruhigend. »Derselbe Bruder, der Ihre Ballade gestohlen hat?«
    »Leider ja.«
    »Was macht er?«, fragte sie, um das Gespräch in Gang zu halten.
    »Er ist ein Agent des Spiegels.«
    Charlotte wandte sich ihm zu. »Ein Spion?«
    Der Spiegel war der Spionage- und Geheimdienst von Adrianglia, die wichtigste Waffe des Reiches im kalten Krieg gegen das benachbarte Herzogtum Louisiana. Der Spiegel operierte im Zwielicht, die Taten seiner Agenten waren legendär.
    Richard verzog das Gesicht. »Er stiehlt alles, was nicht niet- und nagelfest ist, bringt Menschen dazu, sich auf seine halsbrecherischen Pläne einzulassen, und besitzt die einzigartige Gabe, jedes Spiel, das er beginnt, auch zu gewinnen. Er hatte die Wahl zwischen dem Spiegel und einer Gefängniszelle.«
    Seine Abneigung wirkte falsch und aufgesetzt. »Sie sind stolz auf ihn.«
    Ein schmales Lächeln erhellte Richards Gesicht. »Und wie.«
    »Ich war noch nie im Broken«, teilte sie ihm mit. »Ich hab’s versucht, aber meine Magie war zu stark.«
    »Ich war auch nie dort«, sagte er. »Als ich rübergehen wollte, wäre ich fast draufgegangen. Das Edge ist mein Limit. Dabei würde ich das Broken gerne mal sehen.«
    »Ich

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