Seelenverkäufer
eine Weile an Deck zu gehen, wo es ein bißchen luftiger und kühler war als in der brühendheißen Koje. Da klopfte jemand plötzlich leise an die Kabinentür, und Hogendahl hob lauschend den Kopf. »Ja, bitte!« rief er gedämpft und unsicher, als glaubte er, sich verhört zu haben. Die Tür zu meiner Kammer war halb geöffnet und verdeckte die Sicht auf den Eingang zu Hogendahls Kabine. Ich konnte nur sehen, daß Hogendahl aufsprang und hastig in seine Jacke hineinschlüpfte, die hinter ihm an der Stuhllehne hing. Das kam mir schon ziemlich sonderbar vor, weil er sonst kein Umstandskrämer war, der sich genierte, von jemanden in Hemdsärmeln gesehen zu werden.
»Oh, Fräulein Cornelius, treten Sie näher«, sagte er mit einer Stimme, als hätte er sich kurz vorher verschluckt, und deutete mit einer eckigen Handbewegung auf den lederbezogenen Stuhl, der auf der anderen Schreibtischseite stand. Mir verschlug es den Atem, denn es war tatsächlich Fräulein Lydia; unter dem Lichtkreis der Decklampe sah ich sie in voller Beleuchtung. Sie trug einen weißen Wollschal um die Schultern, und ihr Haar wirkte leicht zerzaust, als käme sie von Decke herunter, wo sie im schwachen Fahrwind ein wenig Kühlung gesucht hatte.
»Ich sah bei Ihnen noch Licht, Herr Hogendahl«, sagte sie, aber es klang, als ob das nicht der einzige Grund sei, weshalb sie gekommen war.
»Ja, das ist jetzt meine beste Arbeitszeit«, sagte er. Ich fand es nicht gerade höflich, und richtig: Fräulein Cornelius bemerkte auch sofort, dann wolle sie ihn nicht länger stören und schlang den Schal fester um ihre Schultern; es sah aus, als ziehe sich eine Schnecke in ihr Häuschen zurück.
»Nein«, versicherte ihr Hogendahl rasch, »Sie stören mich nicht im geringsten. Wirklich nicht! Meine Bemerkung war gedankenlos, ich bitte um Entschuldigung.«
Das klang schon besser, und nach kurzem Zögern und nachdem er sie zum zweitenmal darum gebeten hatte, nahm sie ihm gegenüber auf dem Lederstuhl Platz. Ich verhielt mich mucksmäuschenstill in meiner Kammer, um die beiden nicht auf mich aufmerksam zu machen, und Hogendahl schien mich völlig vergessen zu haben. Ja, ich hütete mich, auch nur laut zu atmen, denn im gleichen Augenblick hätte Hogendahl die halbgeöffnete Tür zu meiner Kammer bemerkt und zugemacht.
Er rückte mit seinem Stuhl näher an den Schreibtisch heran, und ich konnte von meinem Lager aus gerade ihre Gesichter sehen. Eine Weile saßen sie sich stumm gegenüber. Hogendahl klopfte seine Taschen wieder einmal nach Zigaretten ab und bot ihr auch eine an, nachdem er die Packung endlich gefunden hatte. Sie lehnte dankend ab: sie rauche nicht, und er murmelte, daß sie gut daran täte; er versuchte sich das Qualmen schon seit Jahren abzugewöhnen — leider ohne Erfolg.
»Erstickend heiß in den Kabinen«, sagte sie.
»So?« meinte er zerstreut und wahrscheinlich auch, weil er genau spürte, daß sie nicht gekommen war, um mit ihr über die dreißig Wärmegrade zu reden, die das Thermometer anzeigte.
Mir starben allmählich die Arme und Beine ab: ich hatte in dem Moment, in dem Fräulein Lydia in die Kabine trat, eine sehr unbequeme Lage erwischt und fühlte mich wie ein indischer Yoga auf seinem Nagelbrett.
»Don Saraiva arbeitet in seiner Bibliothek«, sagte sie schließlich, um das Gespräch in Fluß zu bringen, denn Hogendahl machte gar keine Anstalten dazu und paffte nur vor sich hin.
»Hm«, machte er und hüstelte, »immer die gleichen alten Schwarten über die versunkenen Galeonen mit den Goldschätzen der Inka. Das ist nun mal eine seiner Marotten, aber wahrscheinlich hält er das für einen gewinnträchtigen Zeitvertreib, wie?«
Sie nickte unbestimmt, dann drehte sie sich halb um. »Ich bin ein wenig erhitzt, Herr Hogendahl; Sie täten mir einen Gefallen, wenn Sie das Gangfenster schüeßen würden.«
»Aber selbstverständlich!« sagte er und sprang diensteifrig auf.
»Und vielleicht würden Sie auch die Freundlichkeit haben, das Fenster zu verhängen«, sagte sie, als er auf seinen Platz zurückkehren wollte.
»Wie Sie wünschen«, murmelte er verwirrt und machte den Vorhang dicht. Nach allem, was ich von meinem Freund Heini erfahren hatte, hätte ich als Kavalier jetzt laut husten müssen. Aber ich lag da wie gelähmt und ahnte, daß es hier um ganz andere Dinge ging als um solche, wo ein Kavalier husten mußte.
»Sie kennen Don Saraiva jetzt seit etwa fünf Jahren, nicht wahr?« fragte Fräulein Cornelius, als
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