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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Hogendahl sich wieder gesetzt hatte. Sie schaute dabei auf ihre Hände nieder, und ihre Stimme war leise wie ein Hauch.
    »Ja, ich lernte ihn vor fünf Jahren kennen«, antwortete Hogendahl, »und ich fuhr mit ihm etwas länger als ein Jahr auf diesem Schiff, bis es dann zu einigen unerfreulichen Auseinandersetzungen zwischen uns kam.«
    »Meine Bekanntschaft mit ihm währt erst ein knappes Jahr«, sagte sie.
    »Hm...« brummte Hogendahl und sog nervös an seiner Zigarette, so daß ein langes Stück von ihr rot auf glühte.
    »Er engagierte mich damals in Berlin. Es ging mir nicht besonders gut. Vor allem finanziell nicht. Ich arbeitete beim Film — nein, nicht als Schauspielerin, sondern in der Kopieranstalt. Und ich war ziemlich enttäuscht. Die Möglichkeiten, auf die ich gehofft hatte, blieben aus- oder ich verstand sie auch nicht richtig auszunutzen...«
    »Leben Ihre Eltern noch?« fragte er.
    »Nein, meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war, und mein Vater verunglückte auf einer Dienstreise tödlich. Das geschah vor zwei Jahren.«
    »Mittel waren wohl keine vorhanden, wie?« fragte er.
    »Nein, geerbt habe ich nicht...«
    »Und da blieb Ihnen also nichts anderes übrig, als sich selber über Wasser zu halten, stimmt’s?«
    »Ja, mit Englisch, Französisch und ein wenig Spanisch versuchte ich mich als Auslandskorrespondentin.«
    »Na immerhin«, meinte er, »das ist doch etwas. Und weshalb ging das schief? Denn so war es doch, nicht wahr?«
    »Darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte sie mit einer Stimme, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
    Hogendahl hustete scharf, als stecke ihm irgend etwas in der Kehle, und stand auf. Er ging an den kleinen Wandschrank, der neben dem Safe hing, und holte die Kognakflasche und zwei Gläser daraus hervor.
    »Wir werden jetzt erst einmal einen Schnaps trinken«, sagte er — es klang fast wie ein Befehl. Er goß die Gläser randvoll und kippte seins sofort hinter die Binde. Fräulein Lydia mit ihrem zarten Hals konnte es natürlich nicht so gut wie er.
    »Na los, runter damit!« fuhr er sie direkt grob an. Und statt ihm den Kognak ins Gesicht zu schütten, gab sie sich tatsächlich einen Ruck und kippte den Rest genauso wie er in die Kehle.
    »Sehen Sie, es geht alles«, sagte er grimmig, »wenn man nur will.« Sofort schenkte er die Gläser von neuem voll, hob seins zum Mund und paßte dabei scharf auf, daß sie diesmal ohne langes Zieren mitmachte.
    »Und da trat Don Saraiva auf den Plan — und Sie wurden seine Sekretärin«, stellte er fest und verschloß die Flasche wieder im Schränkchen. »Menge zu tun, was?« fragte er, während er ihr noch den Rücken zukehrte. Sein Ton gefiel mir gar nicht, aber ich dachte zuerst, es käme vom Schnaps, daß er plötzlich so rauh wie ein Reibeisen war.
    »So lange er in Deutschland war, gab es schon einiges zu tun«, antwortete sie eingeschüchtert.
    »Anscheinend ging Don Saraiva doch auf Reisen, nicht wahr?«
    »Ja, für ein halbes Jahr. Und ich sollte mit.«
    »Das taten Sie nicht, wie?«
    »Nein, ich begleitete ihn nicht«, antwortete sie stockend.
    »Aber Sie behielten Ihre Stellung?« fragte er.
    Sie nickte stumm.
    »Und hatten mächtig viel Arbeit, wie?« fragte er böse.
    »Wenig Arbeit«, antwortete sie, »fast gar keine...«
    »Und was bezogen Sie für Ihre Tätigkeit?« knurrte er und tat gerade so, als ob er ein Richter sei und sie im gestreiften Kittel vor ihm stünde.
    »Dreihundert Mark monatlich«, antwortete sie fast unhörbar. (Nicht zu vergessen, das hört sich heutzutage an wie ein Klacks, aber damals, vor über fünfzig Jahren, als ein Maurer vierzig Pfennig in der Stunde verdiente, was das ein Haufen Geld.)
    »Und das fanden Sie ganz in Ordnung?« stieß er direkt höhnisch heraus und funkelte sie böse an.
    »Ich habe nicht darüber nachgedacht«, antwortete sie bedrückt.
    Ich hätte sie gestreichelt in diesem Augenblick wie einen kleinen kranken Vogel, der aus dem Nest gefallen ist. Aber Hogendahl streichelte sie nicht! Breitbeinig und mit den Händen in den Hosentaschen pflanzte er sich wie ein Klotz vor ihr auf.
    »Nicht darüber nachgedacht!« bellte er sie an und stieß die Luft durch die Nase. »Ha — nicht darüber nachgedacht!« krähte er und stemmte die Hände in die Seiten, als ob er sich nicht halten könne vor Gelächter.
    Auf Ehrenwort, er war mein Chef und mein Freund — aber wenn er noch lange so auf ihr herumgehackt hätte, dann wäre ich aufgesprungen und ihm an die

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