Seelenverkäufer
auch etwas ein, aber im Grunde war es immer das gleiche Geschäft, nämlich Malern und Rostpicken. Und wenn die Leute damit vorn fertig waren, ging es hinten wieder von neuem los.
Nein, wenn es in den Werkstätten nicht mehr als am Anfang zu tun gegeben hätte, dann hätte ich mich wahrhaftig in Vaters Laden zurückgewünscht, wo doch immerhin so viel los war, daß ich an einem Tag Weißkohl und am anderen rote Rüben zur Frau Amtsgerichtsrat Spöcker hintragen durfte. Ja, in den Werkstätten wurde gearbeitet, da wurde sogar eisern geschuftet, und Hogendahl war wie ein ägyptischer Fronvogt hinterher, daß seine Leute auf die Sekunde pünktlich zur Arbeit antraten. Er konnte fuchsteufelswild werden, wenn er an einem Werkstück auch nur die geringste Schludrigkeit entdeckte. Trotzdem hingen sie alle an ihm und hatten einen mächtigen Respekt vor der Art, wie er selber zupackte. Wir waren im ganzen sieben Mann unter seinem Kommando, und von diesen sieben waren der Berliner >Justaff< Schmidtke und Herr Vohburger aus Dingolfing sozusagen seine Offiziere; sie arbeiteten neben Hogendahl in einer separat gelegenen Werkstätte. Die anderen werkten in der Dreherei und in der Schmiede, und ich wurde mal hier- und mal dorthin beordert.
Je länger wir unterwegs waren, um so mehr besserte sich Hogendahls Laune, denn mit den beiden Mechanikern hatte er einen guten Griff gemacht. »Du ahnst nicht, Pitt«, sagte er, »was es gerade in diesem Beruf für Hornochsen gibt. Wenn ich solch einen Versager erwischt hätte, dann könnte ich den Laden dichtmachen.«
Nein, seine Leute waren große Klasse, und die Arbeit ging gut voran. Und eines Abends, als ich wegen der Bullenhitze in meiner Koje nicht einschlafen konnte und Hogendahl wohl hörte, wie ich mich herumwälzte, da kam er zu mir herein und setzte sich auf den Rand von meinem Bett.
»Pitt«, sagte er und hieb mir auf die Schulter, »wenn es jetzt keine unangenehmen Überraschungen mehr gibt, dann werden wir den ersten Versuchsstart als Probe für die Druckfestigkeit unseres >Jonas< bald unternehmen können.«
Ich weiß nicht einmal, ob Hogendahl selber es war, der für das Ding, an dem wir arbeiteten, den Namen >Jonas< aufgebracht hatte: aber seit einiger Zeit redeten wir nur noch vom >Jonas<.
Ich merkte ihm an, daß er zum Reden aufgelegt war, was bei ihm durchaus nicht alle Tage geschah; deshalb bat ich ihn, mir doch endlich einmal genauer zu erklären, wo nun eigentlich der Witz bei seiner Erfindung lag und wie der >Jonas< funktionierte. Aber für ihn schien Erfinden leichter zu sein als Erzählen, und erst als er ein Blatt Papier und einen Bleistift geholt hatte, um mir einiges aufzuzeichnen, kam er ins richtige Fahrwasser.
»Sieh mal«, sagte er, »das Problem bei der Taucherei mit den heutzutage üblichen Taucheranzügen und Taucherhelmen ist neben der komplizierten und unfallträchtigen Sauerstoffzufuhr der Druckausgleich. Damit es dem Mann, der in fünfzig bis sechzig Meter Tiefe arbeitet, nicht die Lungen zerreißt, darfst du ihn pro Minute im Höchstfall zwei Meter sinken lassen oder wieder heraufziehen. Da vergeht also eine volle Stunde, in der sich das Wetter ändern oder wer weiß was passieren kann. Und das steht natürlich in keinem Verhältnis zu den zwanzig Minuten Arbeit, die der Mann in größeren Tiefen als fünfzig Meter zu leisten vermag.«
Ich nickte, denn seit die Taucher an Bord waren, hatte ich einiges über ihr schweres Geschäft erfahren: wie viele von ihnen es mit dem Leben bezahlen mußten, wenn der Luftschlauch sich verklemmte oder wenn sie zu rasch hochgezogen wurden.
»Na schön«, fuhr Hogendahl fort, »und da ist mir eines Tages der olle Kolumbus mit seinem Eiertrick eingefallen. Oder vielmehr nicht sein verblüffend einfacher Trick, das Ei durchs Anschlägen der Schale zum Stehen zu bringen, sondern das Ei selber, seine Form und seine dadurch bedingte Stabilität, verstehst du?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, Herr Hogendahl, so verstehe ich kein Wort«, sagte ich.
»Hast du schon einmal versucht, ein Ei mit der Hand zu zerdrücken?« fragte er geduldig.
»Nee«, sagte ich grinsend, »aber das muß wohl sehr schwer sein...«
»Na, dann hole dir mal morgen eins bei Monsieur Grigot und versuch es, aber mit der ganzen Hand und mit gleichmäßigem Druck. Dabei wirst du merken, daß die Schale auch nur deshalb bricht, weil der Druck deiner Hand eben nicht von allen Seiten gleichmäßig war...«
»Wenn Sie es sagen, Herr Hogendahl, dann
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