Seelenverkäufer
und nebenbei zwei Kühe im Stall hielt. Es schien bei ihnen zu Hause so ziemlich die gleiche Bredouille zu sein wie bei uns mit dem Gemüsehandel. Aber Heini konnte wunderbar von seinen Fahrten erzählen. Er war als Schiffsjunge auf einem Dreimaster um Kap Hoorn gesegelt und sagte, wer das lebend hinter sich gebracht hätte, der dürfe in der feinsten Gesellschaft die Füße auf den Tisch legen, und nicht einmal die befrackten Ober im >Hotel Atlantik< hätten das Recht, einen rauszuwerfen.
Und wenn ich auch allmählich merkte, daß er aufschnitt wie der Freiherr von Münchhausen — denn für die Abenteuer, die er erlebt haben wollte, reichten zehn Menschenleben nicht aus — , war es doch sehr spannend, ihm zuzuhören. Außerdem weihte er mich in die Geheimnisse der Liebe ein, denn er hatte schon eine feste Braut in Altona. Er zeigte mir auch ihr Bild, das er immer in einem Lederfutteral bei sich trug. Quer über ihren Busen hatte das Mädchen wirklich hingeschrieben: >Auf ewich dein!< Die Rechtschreibung schien das einzige zu sein, worin Heinis Braut schwach war...
Hogendahl schuftete wie drei Leute zusammen, gerade als ob schon wieder der Teufel hinter ihm her sei. In seiner Kabine erlosch das Licht oft genug erst, wenn um vier Uhr morgens die >Hundswache< abgelöst wurde. Und wenn ich dann morgens zwischen sechs und sieben zu ihm hineinging, um ihn zu wecken und ihm das heiße Rasierwasser zu bringen, dann schlief er wie ein Toter und war kaum wachzukriegen und knurrte mich wie ein bösartiger Hund an. Der Aschenbecher auf seinem Schreibtisch war zum Überlaufen voll mit Zigarren- und Zigarettenstummeln. Um sich aufzupulvern, fing er neuerdings damit an, zwischendurch einen Schluck aus der Kognakpulle zu nehmen, und weil ich merkte, daß ihn das Saufen kaputtmachte, mischte ich den Schnaps bis auf die halbe Stärke mit Wasser. Was ich aus der Flasche abgoß, ließ ich dem Heini und der Mannschaft zukommen, die das sehr zu würdigen wußten. Seitdem ging Hogendahl der Schädel nicht mehr so sehr auf Grundeis, und ich bekam ihn leichter und ohne Fluchen wach.
Don Saraiva war wie von der Bildfläche verschwunden. Weiß der Himmel, was er bei Tag und bei Nacht in seiner Kabine trieb. Die Mannschaft hielt ihn für nicht ganz richtig im Kopf, und einer von den Heizern, der sehr religiös veranlagt war und an und immer Traktate von der Seemannsmission verteilen wollte, die wir ihm aber nur dann und wann und mehr aus Gefälligkeit abnahmen, behauptete und glaubte steif und fest daran, daß Don Saraiva sich mit seinem Blut dem Satan verschrieben habe. Dieser Heizer hieß Jantzen und spann ohne Zweifel, denn er wollte an Bord auch schon öfters den Klabautermann gesehen haben. Jedenfalls, wenn man Don Saraiva außerhalb der Mahlzeiten im Salon überhaupt zu Gesicht bekam, dann ging er in seine Bibliothek oder kam aus ihr heraus: dort waren die alten Schmöker und Seekarten von den gesunkenen Schätzen seit Kolumbus’ Zeiten drin aufbewahrt.
Auch Fräulein Lydia sah ich nur sehr selten, obwohl das eigentlich merkwürdig war für ein so verhältnismäßig kleines Schiff wie die >Esperanza<, wo sich das Leben auf sehr engem Raum abspielte. Wenn ich ihr zufällig doch einmal begegnete, dann hatte ich das Gefühl, daß sie mir auswich und sich rasch in ihr kleines Schreibbüro zurückzog.
Die >Esperanza< bummelte gemächlich ihren Kurs nach Südwesten. Nein, ein Schnelldampfer war sie wahrhaftig nicht, und von dem, was sie an Fahrt hätte herausholen können, schaffte sie nicht einmal die Hälfte, weil Don Saraiva, um zu sparen, nur billigste Kohle und Grus verheizen ließ. Darüber freuten sich die Heizer, die mit dem Dreck arbeiten mußten, natürlich mächtig!
Die einzige Abwechslung war, daß ab und zu einmal ein großer Kasten der deutschen oder englischen Südamerikalinie an uns vorüberbrauste. Zuerst winkte ich noch hinüber, aber allmählich wurde mir auch das zu fad. Ach du liebe Zeit, was hatte ich mir nicht alles unter so einer Reise und unter dem Matrosenleben vorgestellt! Und dabei stank es an Bord vor Langeweile. Der einzige, der etwas zu tun hatte, war der Bootsmann Heerenwyk; der mußte nämlich darüber nachdenken, wie er die Leute beschäftigen sollte. Und es gehörte eine ordentliche Portion Erfindungsgabe dazu, jeden Tag was Neues auszutüfteln. Er kroch deshalb vom Morgen bis zum Abend auf dem Schiff herum, von der Bilge bis zum Steuerhaus, um irgendeine Arbeit zu entdecken, und meistens fiel ihm
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