Seelenverkäufer
überhäuft zu werden. Ihr konnte das im Prinzip eigentlich recht sein, denn sie war schließlich mit der Absicht zu arbeiten an Bord gekommen. Es tat mir nur leid um sie, daß sie so viel allein war und auf diesem Männerschiff so gar keine Zerstreuung und Gesellschaft hatte. Don Saraiva schien nämlich seinen Kreaturen, hauptsächlich aber dem Kapitän und Doktor Gargawienko, die Parole ausgegeben zu haben, Fräulein Cornelius von nun an nicht mehr als Frau — und als schöne Frau dazu — , sondern eben nur noch als seine Angestellte anzusehen.
Ich hätte mich von Herzen gern ein wenig um sie gekümmert, und freie Zeit hätte ich auch genug gehabt. Aber ich getraute mich einfach nicht, sie anzusprechen, weil es mir jedesmal die Stimme verschlug, wenn ich ihr über den Weg lief. Und worüber hätte ich mich auch mit ihr unterhalten können? Ich hätte ja doch nur lauter dummes Zeug dahergeredet. Nur daß auch Hogendahl nicht sah — oder nicht sehen wollte — , wie einsam sie war und wie sie von Tag zu Tag immer blasser und durchsichtiger wurde, das wurmte mich, und ich rieb es ihm auch eines Tages unter die Nase.
»Ich meine schon, Herr Hogendahl«, sagte ich zu ihm, »Sie müßten sich von Zeit zu Zeit mal mit dem Fräulein unterhalten. Sie stirbt uns hier an Bord sonst noch vor Langeweile und Alleinsein unter den Augen weg.«
Er sah mich schief an, als hätte er mich nicht recht verstanden, zwinkerte nervös mit den Augen und knurrte schließlich: »Ich habe keine Zeit dafür, ich habe zu arbeiten!« Damit ließ er mich stehen und machte sich davon.
Ich konnte ihn einfach nicht begreifen. Da hatte nun so ein Mann alles, was dazugehörte, um sich vor Fräulein Cornelius ins rechte Licht zu setzen: Bildung, Sprachkentnisse und Erfahrung im Umgang mit Damen — aber leider keine Spur von Gefühl. Er kannte nichts außer seiner Arbeit, und drängte damit jetzt so voran, daß den Mechanikern direkt die Luft wegblieb. Wäre es nicht Hogendahl gewesen, für den sie schufteten, dann hätten sie ihm den Krempel schon längst vor die Füße geschmissen. Sie fluchten fürchterlich und schworen jeden Tag aufs neue, diese Schinderei nicht mehr mitzumachen. Sie schimpften in seiner Gegenwart und niemals hinter seinem Rücken — und er schimpfte mit! Und was die Mechaniker bei der Stange hielt, war wohl das Gefühl, hier nicht als Lohnsklaven zu schuften, sondern mit Hogendahl zusammen an einer großen Sache zu arbeiten.
Auch ich machte in der Schmiede und an der Drehbank feste mit. Wer weiß, wie gemein Gußstahl sich feilen läßt, der kann sich denken, wie es mir die Haut von den Fingern zog und wie mir der Buckel weh tat. Aber schlapp machte ich nicht! Jetzt, wo ich wußte, worum es ging, nachdem Hogendahl mir alles auseinanderklamüstert hatte, packte auch mich der Ehrgeiz, bei dem Werk mitzuhelfen. So verbissen klemmte ich mich hinter den Schraubstock, daß nicht einmal der Heini mit seinen Fahrtenabenteuern und Altonaer Liebesgeschichten mich fortlocken konnte. Der Erfolg war denn auch der, daß ich in der Back der hungrigste Mann an der Schüssel wurde und mir bald überall die Nähte krachten, wenn ich den Arm spannte oder den Brustkasten aufblies.
Bis dahin war die genaue Position der >Esperanza< täglich bekanntgegeben worden. Als es das letztemal geschah, lagen wir ungefähr auf der Höhe von Portorico nordöstlich vor den Kleinen Antillen. Dann dampften wir, ohne daß angegeben wurde, wohin die Reise ging, mit südwestlichem Kurs weiter und bewegten uns, wie Heini meinte, der in Erdkunde mächtig beschlagen war, entweder an Sankt John oder Guadeloupe vorüber ins Karibische Meer.
Als ich Hogendahl befragte — dem es an sich ganz gleich war, ob er sich auf dem Mond oder in Cuxhaven befand — , weshalb die Position des Schiffes nicht mehr ausgegeben würde, machte er für einen Augenblick ein sehr ernstes Gesicht und antwortete mir, das wäre so Don Saraivas Art, sich in Geheimnisse zu hüllen, wenn es bald Arbeit für die Taucher gäbe. Und dann fragte er mich, als ob er wirklich solange auf einer anderen Welt gelebt hätte, wo ungefähr die >Esperanza< im Moment denn läge.
»Irgendwo südwestlich von Portorico in der Karibischen See«, antwortete ich ihm.
»Ah!« sagte er und nickte. »Dann geht es dieses Mal auf das amerikanische Gold los.« Als ich ihn neugierig ansah, erzählte er mir die Geschichte:
Es hatten nämlich die Venezolaner kurz vor dem Krieg wieder einmal eine Revolution gemacht, und
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