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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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Schade. Somit ist heute also nicht mein vorletzter, sondern bereits mein letzter Tag an Bord. Aber ich habe noch die leise Hoffnung, dass wir keinen Liegeplatz bekommen, den Anker werfen, driften oder sonst was tun müssen und erst einen Tag später einlaufen.

    15.00 Uhr
    Mist, wir laufen tatsächlich gleich ein. Ich gehe ein letztes Mal mit vor zur Manöverstation. Und dann packe ich meine Sachen.

    19.00 Uhr
    Ich war gerade das letzte Mal in der Messe essen. Es gab Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree. Ich habe sogar die Wurst gegessen. Mr. Steward half uns, die Kokosnuss, die wir bei unserem Besuch in Puerto Cabello gekauft hatten, zu öffnen. Auf Kiribati sind sie schließlich Kokosnuss-Profis. Die halbe Kokosnuss schenkten wir ihm und Cooky. Ich verabschiedete mich von den beiden. Und ich wurde richtig traurig. Ich habe Cooky noch gefragt, ob er etwas dagegen habe, wenn ich in der Zeitung einen Artikel über ihn veröffentlichte. Er lachte und meinte, ich solle aber nur nette Sachen schreiben.
    Der Dritte Offizier brachte mir noch eine selbstgebrannte DVD mit allen Filmen, die er in den vergangenen Monaten über das Leben an Bord gedreht hat. Unter anderem sind darauf Filme von den Feueralarmübungen. Ich war sehr gerührt. Auch die Auszubildenden hatten noch eine gebrannte CD mit Fotos für mich, auf der auch Bilder von unserem Ausflug ins Nachtleben von Puerto Rico waren.
    Dann ging ich zum Kapitän. Ich wollte meine Ausweise abholen und mich für die schöne Zeit auf seinem Schiff bedanken. Mir war ganz mulmig, als ich an seine Kammer klopfte. Aber er war auf einmal richtig nett zu mir. Er meinte sogar, er freue sich, dass ich mit dem Wetter so viel Glück gehabt hätte. Schließlich hätte es überhaupt keine Wellen gegeben. Ich nickte nur und widersprach ihm nicht.
    Heribert brachte mich noch die Gangway hinunter. Er trug meinen Rucksack. Ich hatte wieder eine gelbe Weste an. Der Bus kam angefahren. Wir umarmten uns. Wir küssten uns ein letztes Mal. Dann stieg ich ein. Als ich im Bus saß, habe ich Heribert noch lange zugewinkt. Ich konnte es nicht glauben, dass drei Wochen vergangen waren. Mir war, als wäre ich gerade erst angekommen. Dieser Krach. Dieser Geruch. All die LKW und Kräne. Während der Bus zum Ausgang fuhr, wurden Heribert und das Schiff immer kleiner. Ich winkte noch, als ich ihn kaum mehr sehen konnte. Dicke Tränen liefen mir über die Wangen.

Kapitel 5: Australien
    I ch bin ein angenehmer Fluggast. Nie beschwere ich mich. Weder bei Verspätungen noch über das Essen. Selbst wenn kurz vor dem Ende eines spannenden Spielfilms meine Bord-Kopfhörer versagen, nehme ich mir lieber ein Buch und lese, statt mich bei der Stewardess zu melden und funktionierende Kopfhörer zu verlangen.
    Die Fluggesellschaften haben meine ausgeprägte Genügsamkeit längst registriert, anders ist es nicht zu erklären, warum ich jedes Mal – aber wirklich jedes Mal – neben, vor und hinter schreienden Babys und Kleinkindern sitze. So ist es auch heute. Es ist Mitte November. Seit fünf Tagen regnet es ununterbrochen, und es ist kalt. Ich bin auf dem Weg nach Australien. Ich bin schon in London, gleich fliege ich weiter nach Hongkong, und von dort geht es nach Sydney. Das Boarding ist noch nicht beendet, aber schon jetzt haben sich insgesamt acht chinesische Babys und Kleinkinder mit ihren chinesischen Eltern um mich herum versammelt. Acht, das ist Rekord. Das Baby, das auf dem Schoß der jungen Frau direkt neben mir liegt, ist so klein, dass ich gar nicht erkennen kann, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Die chinesische Mutter lächelt mich entschuldigend an und massiert mit kreisenden Bewegungen den Bauch ihres schreienden Kindes. Ich lächle zurück und setze mich. Als sie nicht zu mir sieht, stopfe ich mir Ohropax in die Gehörgänge und ziehe schnell die Bord-Kopfhörer darüber. Immerhin funktionieren die Kopfhörer. Die Lautstärke stelle ich so hoch ein, wie es nur geht. Das schreiende Kind höre ich aber noch immer. Insgesamt 28 Stunden werde ich unterwegs sein. Warum tue ich mir das an? Ich habe gar keine Lust auf diese Reise. Warum fliege ich 28 Stunden zu einer Hochzeit ans andere Ende der Welt, anstatt mich in ein Flugzeug zu setzen und Heribert auf seinem Schiff zu besuchen? Seit zwei Monaten habe ich ihn nicht gesehen. Gestern hat er mich kurz von der karibischen Insel Curaçao angerufen, um mir eine gute Reise zu wünschen. Ich war schlecht gelaunt während des Telefonats.

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