Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
verantwortlich. Ein Landgang während der Löscharbeiten war ausgeschlossen.
Direkt nach dem Festmachen zog ich mein Kleid an. Ich versuchte, meine Haare mit viel Geduld und noch mehr Pflegeprodukten hochzeitstauglich zu frisieren. Dann ging ich von Bord. Heribert hatte mir untersagt, in meinen hohen Schuhen die Gangway hinunterzulaufen. Also trug ich Turnschuhe zu meinem Kleid. Außerdem musste ich einen Helm und eine Sicherheitsweste tragen. Der Kapitän lachte, als er mich so sah. Ich verabschiedete mich von der Besatzung. Heribert brachte mich zum Hafenausgang, dann fuhr ich los. Im Taxi zog ich meine hochhackigen Schuhe an. Ich war die Erste am Standesamt. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Die eigentliche Überraschung passierte aber erst ein paar Stunden später. Die kleine Kirche, in der Meike und Laurent sich am Nachmittag das Jawort gaben, lag nur ein paar hundert Meter von der Elbe entfernt. Ich hatte gehofft, dass Heriberts Schiff nach dem Auslaufen noch zu sehen war. Dass er Meike und Laurent wenigstens noch einmal zuwinken konnte, wenn er schon nicht mit ihnen feiert. Doch als wir nach der Zeremonie von der Kirche in Richtung Restaurant aufbrachen, hatte Heriberts Schiff seinen Liegeplatz gerade erst verlassen. Ich stieg zu Meike und Laurent ins blumengeschmückte Hochzeitsauto. Ich hoffte noch immer, dass wir das Schiff sehen, mit dem Auto rechts ranfahren und Heribert zuwinken konnten. Wir fuhren die Elbchaussee hinunter zum Fischmarkt. Die ganze Zeit behielt ich die Elbe im Auge. Manchmal entfernten wir uns auch ein Stück vom Wasser. Dann wurde ich nervös. Immer wieder rief ich Heribert an, um zu fragen, wo sein Schiff gerade war. Ich hoffte, dass wir es noch rechtzeitig zum Restaurant schafften. Auch vom Restaurant konnte man auf die Elbe sehen. Doch in dem Moment, als wir am Fischmarkt vorbeifuhren, tauchte plötzlich das Schiff auf. Ich werde diesen Moment nie vergessen. Dieses riesige Schiff, das noch viel größer war als die Häuser am Ufer, schob sich ganz langsam durch den Fluss. Das Schiff schien fast zu schweben. Die gesamte Szenerie wirkte surreal. Laurent lenkte das Auto mit quietschenden Reifen auf den Bürgersteig und hielt an. Wir drei sprangen aus dem Auto und rannten über das Kopfsteinpflaster zum Ufer. Meike hatte in ihrem wunderschönen bodenlangen Brautkleid Mühe, uns zu folgen. Fast wäre sie gestolpert. Ich hatte Heribert am Telefon.
»Kannst du uns sehen?«, rief ich aufgeregt und winkte in Richtung Brücke.
»Ja, ich sehe euch. Und vor allem sehe ich die schöne Braut«, antwortete er.
Wir drei standen am Ufer und winkten diesem 250 Meter langen Schiff. Heribert winkte zurück. Wir konnten ihn kaum erkennen. Er war nur ein kleiner Punkt ganz oben auf der Nock. Doch dann passierte etwas, das uns allen eine Gänsehaut bescherte. Heribert bediente das Schiffshorn. Dreimal erklang dieses tiefe, beeindruckende Schiffstyphon.
»Alles Gute zur Hochzeit«, rief er ins Telefon. Ich hatte den Lautsprecher angemacht, und wir drei hatten die Köpfe zusammengesteckt. Meike und Laurent umarmten sich, winkten dem Schiff und fingen an zu weinen. Auch ich musste weinen. Um uns herum waren Passanten stehen geblieben. Sie sahen uns verwundert an, aber auch sie winkten dem Schiff. Erst dann bemerkte ich, dass auf der Nock nicht nur Heribert stand und winkte, sondern auch der Kapitän und die Lotsen. Einer der Lotsen hielt eine weiße Fahne in der Hand. Die Lotsen hatten Heribert erlaubt, das Schiffstyphon zu bedienen. Eigentlich ist das nicht gestattet. Auch etwas unterhalb, an Deck, winkten uns ein paar der Besatzungsmitglieder zu. Ich konnte nicht erkennen, wer es war, aber viele der Crewmitglieder hatten in den vergangenen Tagen von meiner Sorge erfahren, nicht rechtzeitig zur Hochzeit meiner besten Freundin in Hamburg zu sein. Nun sahen sie, dass alles gutgegangen war. Ganz langsam entfernte sich das Schiff. Meike und Laurent umarmten mich.
»Das war das schönste Hochzeitsgeschenk«, sagte Meike mit tränenerstickter Stimme.
»Das werde ich nie vergessen«, verkündete Laurent.
Die beiden waren glücklich. Und ich war es auch.
In einem Film hätte ich eine solche Szene als unrealistisch und extrem kitschig empfunden. Wenn Heribert und ich diesen Moment so geplant hätten, hätte es niemals funktioniert. Aber so, wie es sich hier abgespielt hatte, war es ein kleines Wunder. Vielleicht sollte es so sein, dachte ich. Das lange Warten auf Malta, dann die Unruhe und die Sorge auf
Weitere Kostenlose Bücher