Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
Vom Netzwerk:
zurück bin.
    Deine Fotos hängen übrigens direkt neben meinem Bett. So kann ich dich immer nach dem Aufwachen und kurz vor dem Einschlafen ansehen. Ich träume auch jede Nacht von dir. Manchmal wache ich auf und denke, du müsstest doch neben mir liegen. Aber nein, dann fällt mir wieder ein, dass ich auf dem Schiff bin. Du fehlst mir so fürchterlich. Schreibe mir doch bitte ganz viele Briefe und erzähle mir, was du tust und wie es dir geht. Ich versuche auch, so bald wie möglich wieder zu schreiben.
    Ich liebe dich, Nancy!
    Dein Heribert
    Ich lege den Brief beiseite, nehme mir ein Taschentuch vom Nachtschrank und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich habe von der ersten bis zur letzten Zeile geweint. Gefühlsmäßig bin ich wieder ganz im Jahr 2002. Mehr als sechs Monate hatten wir uns damals nicht gesehen. Das war schrecklich. Ich wollte Heribert zwischendurch besuchen. Nach Ravenna in Italien wollte ich reisen. Ich hatte schon alles organisiert. Das Geld dafür hatte ich mir von meinen Trinkgeldern in der Jazz-Bar zusammengespart. Doch dann änderte sich die Route des Schiffes. Es wurde nichts aus unserem Treffen.
    Als Heribert im Oktober 2002 endlich nach Deutschland zurückkam, musste er mir versprechen, nie wieder so lange wegzufahren. Bis jetzt hat er sich daran gehalten. Nun ist er immer vier Monate unterwegs, kommt für zwei Monate nach Hause, fährt für vier Monate wieder weg. Immer in diesem Rhythmus. Vier Monate sind auch eine lange Zeit, aber sechs Monate sind nicht zu ertragen.
    Ich kann mich noch genau an meine Gefühle erinnern, die ich beim ersten Lesen dieses Briefes hatte. Ich erinnere mich an die Freude, die Rührung, die Sorge und die Sehnsucht. Aber ich war auch sehr stolz auf Heribert.
    Meine Tränen sind noch nicht ganz getrocknet, als ich einen Schreibblock nehme und einen Brief beginne. Ich schreibe Heribert noch immer täglich. Jeden Abend setze ich mich hin und berichte, was den Tag über so passiert ist. Manchmal schreibe ich ihm auch mehrmals an einem Tag. Ich schreibe immer dann, wenn ich ihm etwas zu erzählen habe oder wenn ich einfach nur das Bedürfnis habe, mit ihm zu kommunizieren. Ich kann ihn nicht einfach anrufen. Im Moment sitzt er im Flugzeug, aber auch auf dem Meer hat er keinen Handyempfang und die Telefongebühren im Ausland sind zum Teil unverschämt hoch.
    Seit einiger Zeit gibt es die Möglichkeit, private E-Mails an Bord zu schicken. Und das sogar kostenlos. Allerdings hängt es immer vom jeweiligen Kapitän ab, ob der seinen Besatzungsmitgliedern überhaupt eine private Mailadresse einrichtet und ob er den Senden- und Empfangen-Knopf drückt. Das kann nämlich nur er. Heribert hatte schon einmal einen Kapitän, der diesen Knopf über Wochen nicht bediente. Zum Unmut der gesamten Crew. Den Kapitän störte das wenig, er bekam seine Mails schließlich über eine Satelliten-Standleitung. Weil mich das so geärgert hat und weil Heribert mir andererseits auch nicht so oft auf E-Mails antwortet, wie ich es mir wünschen würde, schreibe ich ihm lieber Briefe. Da erwarte ich keine umgehende Antwort. Ich weiß, dass die Briefe oft Wochen, sogar Monate unterwegs sein können. Ich glaube sogar, dass ich mittlerweile mehr für mich als für ihn schreibe. Das Schreiben hilft mir. Natürlich freut sich Heribert auch über Post, E-Mails wären ihm aber fast lieber, weil sie aktueller sind. Am allerliebsten hätte er wohl beides.
    Wenn ich Heribert einen Brief schicke, stecke ich immer auch ein paar Fußballmagazine in den Umschlag. Ich befürchte manchmal, dass er die Magazine noch vor meinen Briefen liest. Er bestreitet das.
    In meinem heutigen Brief schreibe ich ihm von der Fahrt vom Flughafen nach Hause, ich schreibe ihm, wie eigenartig es war, ohne ihn zurückzukommen in unsere große, leere Wohnung. Ich schreibe ihm, wie ich ihn weggeputzt habe und wie ich gerade geweint habe, als ich seinen alten Brief las. Das mit dem Brief erwähne ich nicht ohne Hintergedanken. Ich möchte, dass auch er mir wieder öfter von seinem Leben an Bord berichtet. Das Schreiben hat er in den vergangenen Jahren nämlich ziemlich vernachlässigt.
    Nachdem ich mich im Brief verabschiedet habe, greife ich zum Telefon und rufe bei meinen Eltern an. Es klingelt zweimal, dann geht meine Mutter ans Telefon. Sie sieht meine Nummer auf dem Display.
    »Hallo, mein Kind, wie geht es dir?«, fragt sie mit ihrer wunderbar sorgenvollen Stimme.
    »Kann ich am Wochenende nach Hause kommen? Ich möchte

Weitere Kostenlose Bücher