Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
Kontrapunkt zum Business-Outfit: Sie war ausgesprochen trendy, um nicht zu sagen cool.
    Die aufkommenden Unmutsäußerungen schienen allesamt an ihm abzuprallen. Kaum hatte er den Fuß der Treppe erreicht, zog er sich die Stöpsel seiner Kopfhörer aus den Ohren. Fast gleichzeitig holte er mit der Linken ein Handy aus seiner Tasche und drückte eine Kurzwahltaste.
    Dem abgehenden Ruf lauschte er allerdings vergeblich hinterher. Wie bei den Versuchen zuvor kam keine Verbindung zustande. Er wählte eine zweite Nummer – ebenfalls ohne Erfolg.
    Warum, zum Teufel, ging da keiner ran? Es war ausgemacht, dass er sich gleich nach seiner Ankunft in Friedrichshafen melden sollte. Eigenartig.
    Nachdenklich folgte er den Wegweisern mit dem Koffersymbol. Warum nur ging ihm das Meeting in Palma nicht aus dem Kopf? Seitdem er sich um die Mittagszeit dort verabschiedet hatte, wurde er das Gefühl nicht los, etwas Falsches gesagt zu haben – etwas, mit dem er den Unmut der großen Bosse geweckt hatte. Was könnte das nur gewesen sein? Vermutlich seine wiederholte Beteuerung, sich peinlich genau an alle Absprachen gehalten zu haben. Danach hatten sich die Herren verstohlene Blicke zugeworfen.
    Hatte er wirklich so schlecht gelogen?
    Dabei hatte seine Darstellung durchaus der Wahrheit entsprochen. Okay, es hatte ein paar Ausnahmen gegeben, da hatten sie ein bisschen was abgezweigt. Na und, wer wollte ihnen das übel nehmen?   Sie   hatten schließlich die ganze Arbeit gehabt. Und außerdem: wo kein Kläger, da kein Richter. Hätten die Bosse von ihren Extratouren was spitzgekriegt, sie hätten ihm ordentlich was gehustet. Stattdessen hatten sie heute Einvernehmen signalisiert.
    Trotzdem, bei diesen Typen wusste man nie.
    Entschlossen steckte er die Stöpsel wieder ins Ohr und drehte den iPod lauter. Die Klänge von »One Love« würden seine kruden Gedanken verscheuchen. Er liebte David Guettas abgedrehten Sound, diesen einzigartigen Mix aus urbanen und elektronischen Klängen.
    Wenn alles wie geplant lief, würde er gegen Mitternacht in Überlingen eintreffen. Und dort, das hatte er sich fest vorgenommen, würde er fürs Erste auch bleiben. Eine einzige Ausnahme würde er sich gestatten: Sobald das Wetter es erlaubte, würde er aufs Wasser gehen. Segeln, sich den steifen Märzwind um die Ohren wehen lassen.
    Allein.
    Auf der »Anisha«, seinem neuen Boot, einer supercoolen Kiste.
    Wenig später erreichte er die Gepäckausgabe. Ungeduldig wartete er auf das Anlaufen des Förderbandes. Wieder einmal hatte er sich umsonst beeilt. Diese Flughafenheinis lernten es wohl nie.
    Die scheelen Blicke seiner Mitreisenden ignorierend, holte er erneut sein Handy heraus. Noch einmal wählte er die beiden Nummern – und noch einmal liefen seine Anrufe ins Leere.
    Resigniert nahm er wenig später seinen Koffer vom Band. Nichts wie raus hier, dachte er und strebte dem Ausgang zu. Auf dem Weg zum Parkhaus begann er zu frösteln und schlug den Kragen hoch. Er wusste, weshalb die großen Bosse auf Mallorca saßen: Dort hatte das Thermometer schon heute Morgen um neun zwanzig Grad angezeigt.
    Am Eingang zum Parkhaus P1 zahlte er und fuhr mit dem Lift in den zweiten Stock. Wie stets nach der letzten Maschine war diese Ebene so gut wie menschenleer. Sein Koffer und das Handgepäck waren schnell verstaut, erleichtert ließ er sich in den Fahrersitz fallen. Eine gute halbe Stunde noch, und er würde zu Hause sein.
    Einen kurzen Moment lang legte er die Hände in den Schoß, bevor er den Motor anließ und ein paarmal leicht auf das Gaspedal tippte. Plötzlich spürte er einen kurzen Luftzug und zuckte gleich darauf überrascht zusammen. Etwas unangenehm Kaltes presste sich in seinen Nacken.
    Kalt wie Stahl.
    Wie der Lauf einer Waffe.
    Eine Waffe? Pah! Wer sollte ihn mit einer Waffe bedrohen – noch dazu in seinem eigenen Wagen?
    Kaum hatte er sich diese Frage gestellt, erhielt er einen Schlag auf den Hinterkopf. Einen Moment lang verdrehte er die Augen, dann sackte sein Kopf auf das Lenkrad und löste einen lang gezogenen Hupton aus. Von hinten kam ein Fluch, eine Hand fuhr in seine Haare, riss seinen Kopf nach hinten, und das Hupen brach ab. In der nachfolgenden Stille schlug eine Wagentür zu.
    Dieses Türgeräusch war es, was ihn in die Wirklichkeit zurückholte. Kein Zweifel, er hatte einen unerwünschten Fahrgast an Bord. Allerdings schien er nicht auf eine schnelle Abzocke aus zu sein, sonst hätte er kaum die Wagentür hinter sich geschlossen.

Weitere Kostenlose Bücher