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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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spöttelte Wolf. »Bei solchen Ausgaben …« Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe. »Wenn ich nicht irre, ist das heute bereits der zweite Banker, der in der Blüte seiner Jahre das Zeitliche segnet. Der berufliche Umgang mit Geld scheint die Lebenserwartung rapide zu senken, findest du nicht?«
    »Da haben Sie recht«, stimmte Jo ihm zu.
    »Wurde irgendetwas über die genannten Unterlagen hinaus beim Fahrer oder im Fahrzeug gefunden?«
    »Nichts von Belang. Und um Ihrer nächsten Frage gleich zuvorzukommen: Auch in punkto Handy und Notebook Fehlanzeige.«
    »Merkwürdig. Was schlägst du vor?«
    »Nun, da wir uns in dieser Sache ausschließlich um eventuelles Fremdverschulden zu kümmern haben, gilt es herauszufinden, ob irgendjemand irgendetwas manipuliert hat, und wenn ja, aus welchem Grund. Prinzipiell könnten drei Dinge manipuliert worden sein: Erstens der Wagen. Zweitens der Fahrer. Und drittens der Unfallort, in diesem Fall also die Felswand. Um den ersten Punkt wird sich der Kraftfahrzeug-Sachverständige kümmern, um den zweiten die Gerichtsmedizin – ich kann doch davon ausgehen, dass eine Obduktion angeordnet wird?« Als Wolf spontan nickte, fuhr sie fort: »Sollten sich in einem dieser Fälle Verdachtsmomente ergeben, die auf Fremdverschulden hinweisen, müssen wir ermitteln. Schließlich drittens: die Manipulation des Unfallortes. Eine solche kann nach Aussage der beiden Augenzeugen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Das am Unfallort herumliegende Gestein hat sich durch den Aufprall des Wagens auf die Felswand gelöst. Geben Sie mir bis dahin recht, Chef?«
    Wolf nickte anerkennend. »Eine lange Rede, hätte von mir sein können. Und im Prinzip liegst du richtig. Trotzdem: Um sicher zu gehen, dass dieses Gestein nicht der Auslöser, sondern eine Folge des Unfalls war, sollten wir uns die Wand mal genauer ansehen.« Er warf einen prüfenden Blick gen Himmel. »Leider reicht das Tageslicht dafür nicht mehr aus. Am besten schickst du einen Streifenwagen hoch, damit die Kollegen das Gelände oberhalb der Unfallstelle absperren, sicher ist sicher. Montag kümmere ich mich dann zusammen mit Mayer zwo um die Suche nach eventuellen Spuren. Vielleicht kann ich bis dahin auch einen Fachmann für Gesteinskunde auftreiben. Petrologen nennt man diese Leute, glaube ich.«
    Zweifelnd wiegte Jo den Kopf hin und her. »Eine Menge Aufwand – für aller Wahrscheinlichkeit nach nichts und wieder nichts, wohlgemerkt.«
    »Du kennst die Gesetzeslage. Bei solchen Unfällen ist ein Fremdverschulden zweifelsfrei auszuschließen.«
    Rolf Marsberg gesellte sich wieder zu ihnen. »Wie sieht’s aus, Leo, können wir?«, rief er schon von Weitem. »Hier ist heute ohnehin kein Blumentopf mehr zu gewinnen.« Er winkte mit den Autoschlüsseln. »Wie ich hörte, kommt gleich der Abschleppwagen, außerdem eine Räumkolonne mit entsprechendem Gerät. In spätestens einer Stunde ist von dem Chaos hier nichts mehr zu sehen, wetten?«
    Jo hatte dem nichts entgegenzusetzen und verabschiedete sich mit dem Hinweis, als Erstes die Überführung von Hörmanns Leiche zur Gerichtsmedizin zu veranlassen.
    Wolf sah indessen wie beiläufig auf die Uhr. »Gleich halb acht«, murmelte er.
    Marsberg sah ihn aufmerksam an. »Du denkst doch nicht etwa, was ich denke?«, fragte er lauernd.
    Wolf zögerte, doch schließlich entschloss er sich zu einem Nicken. »Von irgendetwas muss der Mensch ja leben, nicht wahr?«
    Auf Marsbergs Gesicht machte sich ein Grinsen breit.
    Wolf grinste ebenfalls, holte sein Handy hervor und tippte eine Nummer ein. »Leo hier, hallo, Simon. Machst du uns bitte noch zweimal den Zander? Wir sind in spätestens einer halben Stunde da.«

5
    Nach sechsstündigem Flug mit Zwischenstopp in Frankfurt hatte die Lufthansa Cityline endlich auf dem Bodensee-Airport aufgesetzt. Ein Wagen mit der Leuchtschrift »Follow me« lotste die Maschine zu ihrer Parkposition. Sechs Minuten später öffnete eine Flugbegleiterin die Tür und gab den Ausgang frei. Inzwischen war es zweiundzwanzig Uhr zehn.
    Wenig rücksichtsvoll zwängte sich ein braun gebrannter Mittdreißiger durch die Reihen der aussteigenden Passagiere. Einige warfen ihm böse Blicke zu. Bekleidet war er mit einem hellgrauen Seidenanzug, einem weißen Hemd und einer blau-gelb gestreiften Krawatte, für den klassischen Mallorca-Rückkehrer ein nicht gerade typischer Aufzug. Die übergroße Nerd-Brille auf seiner Nase wirkte wie ein

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