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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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Offensichtlich hatte er andere Absichten. Aber welche? Eine Entführung? Oder ging es um Lösegeld? In was für eine Scheiße war er da bloß hineingeraten?
    Sekundenlang drohten die Schmerzen im Hinterkopf, ihm den Blick zu vernebeln. Er hob die Hand, wollte die Stelle anfassen.
    »Aber nicht doch, Herr Sahin, Pfoten runter«, bellte sein Hintermann und presste ihm erneut die Waffe in den Nacken.
    Stöhnend nahm Sahin die Hand zurück. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Schnauze. Fahr los.«
    So rasch, wie sie gekommen war, ebbte die Schmerzwelle wieder ab. Auch der Druck im Nacken ließ ein wenig nach, sodass er den Oberkörper wieder aufrichten konnte.
    »Wer sind Sie?«, fragte Sahin ein weiteres Mal, während er zögernd den ersten Gang einlegte.
    »Schnauze.«
    Vorerst, so schien es, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und die Ausfahrt anzusteuern.
    »Was jetzt?«, wollte er wissen, kaum dass sie die Schranke passiert hatten.
    »Schnauze.«
    An der Ausfahrt deutete der Unbekannte mit der Waffe nach rechts. Einige Sekunden verstrichen.
    »Haben Sie außer ›Schnauze‹ noch was anderes auf Lager?«, wollte Sahin wissen. »Ich frag Sie noch einmal: Wer sind Sie … und was wollen Sie?«
    Es mochte an seinem wiederholten Bohren liegen oder daran, dass er sich umdrehen wollte – jedenfalls bekam er postwendend eine übergebraten. »Schau gefälligst nach vorne. Und keine Fisimatenten, wenn dir dein Leben lieb ist.«
    Sahin verzog vor Schmerz das Gesicht und sparte sich einen weiteren Kommentar. Zumindest vorerst war der Kidnapper wohl zu keinen Auskünften bereit. Immerhin, bei einem Blick in den Rückspiegel hatte er feststellen können, dass der Unbekannte eine Sturmhaube mit zwei Sehschlitzen trug. Der Figur nach schien es sich um einen kräftigen, hochgewachsenen Mann zu handeln. Allerdings war ihm noch etwas anderes aufgefallen: Der Unbekannte trug ein Headset über der Haube. Sahin konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen.
    Bis ihn unvermittelt die Erkenntnis traf: Irgendjemand da draußen hörte jedes Wort mit, das im Wageninneren gesprochen wurde. Der Teufel sollte ihn holen, wenn da nicht die großen Bosse dahintersteckten. Also waren sie ihnen doch auf die Schliche gekommen. Ja klar, so musste es sein! Und jetzt wollten sie wohl ein Exempel statuieren. Das würde zumindest das Empfangskomitee erklären.
    Der Kidnapper streckte die freie Hand nach vorne. »Dein Handy … gib mir dein Handy«, forderte er. Nachdem Sahin es ihm ausgehändigt hatte, ließ er das Fenster ein Stück weit herunter und warf es aus dem Wagen. »An der Abzweigung da vorne biegst du rechts ab. Und ein bisschen mehr Dampf, wenn ich bitten darf.«
    Sahin bestätigte mit einem Nicken. Er vergewisserte sich, dass die Querstraße frei war, und sah routinemäßig in den Rückspiegel. Außer einem Motorradfahrer war kein Fahrzeug hinter ihnen.
    Kaum war er wie befohlen abgebogen, trat er aufs Gas. Seemoos und Manzell huschten vorüber; nur noch wenige Kilometer bis Immenstaad. Eine Viertelstunde weiter, und sie hätten Überlingen erreicht.
    Wollte der Kerl ihn nach Hause eskortieren? Wohl kaum. Falls seine Vermutung zutraf – und es sprach einiges dafür –, dann hatte er das Wohlwollen der großen Bosse längst verspielt. Was erneut die Frage aufwarf, was der Wahnsinnige hinter ihm vorhatte. Wo würde diese Horrorfahrt ihr Ende finden?
    Würde   er selbst   dabei sein Ende finden?
    Die Ungewissheit schnürte ihm die Kehle zu, und trotz der kühlen Witterung brach ihm der Schweiß aus allen Poren. Er wunderte sich, dass er überhaupt noch fahren konnte.
    Während er auf die Fahrbahn starrte, versuchte er krampfhaft, sich zu konzentrieren. Ein Plan musste her, und sei er noch so schräg. Ein Crash zum Beispiel, bewusst herbeigeführt, idealerweise vor einer Polizeistation. Oder ein spektakuläres Fahrmanöver wie in einem dieser Fernsehkrimis, wo sie bei hoher Geschwindigkeit das Steuer herumrissen und gleichzeitig eine Vollbremsung hinlegten. Warum eigentlich nicht? Immerhin hätte er das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Und noch etwas kam hinzu: Offensichtlich war der Kidnapper nicht angegurtet. Bei einem Crash oder einer Schnellbremsung würde er wie ein Geschoss durch die Windschutzscheibe schlagen … und Ende der Vorstellung!
    Vorausgesetzt, er selbst wurde von seinem Gurt sicher im Sitz gehalten.
    Und vorausgesetzt, es löste sich kein Schuss aus der Waffe.
    Obwohl ihn die
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