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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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neben dem Bedientableau? Ein  TÜV -Aufkleber, wenn auch reichlich vergilbt und ohne Jahreszahl. Na also.
    Langsam, aber stetig sank der Käfig nach unten. Gleich würde die Wand mit der Parterretür aus Jos Blickfeld verschwinden. Schon tauchte der Ausstieg ins Untergeschoss auf, da passierte es: Ein kurzer Ruck, der Aufzug blieb stehen, das Licht ging aus. Lähmende Stille.
    Jo war weit davon entfernt, beunruhigt zu sein. Ein Kurzschluss, na und? So was passierte immer mal wieder und besonders häufig bei älteren Anlagen wie dieser hier. Gleich würde irgendwo ein Notstromaggregat anspringen. Falls nicht, würde Alarm ausgelöst, man würde die Kabine manuell zum nächstgelegenen Ausgang kurbeln und sie befreien. Peschke hatte sie schließlich im Untergeschoss avisiert, sie wurde von seinen Leuten dort erwartet. Warum sich also Sorgen machen?
    Jo zählte bis zwanzig. Es blieb dunkel und still. Sie fing noch einmal von vorne an. Nichts. Leicht beunruhigt begann sie, in ihrer Tasche zu kramen. Wo war ihre kleine Maglite? Ah, hier, das musste sie sein. Sie ertastete den Schalter und schob ihn nach vorn. Ein feiner Lichtstrahl flammte auf und irrte suchend umher, bis er schließlich an dem abgegriffenen Bedientableau hängen blieb. Jo trat näher, um die Knöpfe in Augenschein zu nehmen. Der unterste, ein roter, war mit »Alarm« beschriftet. Sie drückte ihn, erst einmal, dann mehrmals hintereinander. Nichts tat sich. Na klar doch, was sollte sich auch tun? Ein Kurzschluss setzte den gesamten Stromkreis außer Betrieb, auch den Alarmknopf. Wenn Sie Pech hatte, lag das gesamte Untergeschoss im Dunkeln, wenn nicht gar das ganze Gebäude. Bei diesen alten Schuppen wusste man nie …
    Ob hier unten ihr Handy funktionierte? Dann könnte sie wenigstens Wolf informieren. Sie drückte eine Kurzwahltaste. Keine Verbindung.
    Nun blieb ihr nur noch, sich durch Klopfen und Rufen bemerkbar zu machen. Doch schon nach zwei Minuten stellte sie ihre Bemühungen wieder ein. Trotz wiederholter Versuche hatte sie keine Antwort bekommen. Saßen die Leute auf ihren Ohren? Oder rannten sie wie aufgescheuchte Hühner im Haus umher, um den Kurzschluss zu beheben?
    Da, endlich, eine Stimme, leise und dumpf. Sie schien von oben, vom Zustieg im Erdgeschoss zu kommen. »Haaallo, Frau Loureeedo! Können Sie mich hören?«
    Das hörte sich nach Peschkes jungem Mitarbeiter an, Christian Kosch war sein Name, wenn sie sich recht erinnerte. Sie legte ihre Hände wie einen Schalltrichter an den Mund, ehe sie antwortete: »Ja, ich kann Sie hören. Was ist passiert?«
    »Es gab einen Kurzschluss, er wird gerade behoben. Falls das zu lange dauert, werden wir Sie mit der Handwinde hochkurbeln. Der Monteur ist bereits verständigt. Bitte bleiben Sie ganz ruhig, Sie werden bald erlöst. Haben Sie mich verstanden?«
    »Verstanden!«, rief sie zurück und fügte halblaut »Dein Wort in Gottes Ohr« hinzu. Ergeben setzte sie sich auf einen der Kartons und löschte ihre Lampe.
    Ein bisschen merkwürdig ist das alles schon, dachte sie. Erst Peschkes Zögern, als sie ihn gebeten hatte, die Asiatika sehen zu dürfen, und dann der Kurzschluss. Vielleicht hatte der ja ihren Besuch im Untergeschoss verhindern sollen. War die ganze Geschichte etwa inszeniert? Gemach, Louredo, ermahnte sie sich, das würde sich gegebenenfalls feststellen lassen; wozu gab es die Sachverständigen des  TÜV  oder der Feuerwehr? Vielleicht sollte sie sich auch einfach mal den jungen Christian Kosch vorknöpfen. Wenn sie nicht alles trog, war er auf Peschke nicht gut zu sprechen. Und unzufriedene Mitarbeiter waren oftmals die ergiebigsten Quellen.
    Jetzt aber musste sie erst mal hier raus. Ob die Kabine in der Decke wohl eine Wartungsklappe hatte? Sie leuchtete mit ihrer Maglite nach oben, und tatsächlich zeichnete sich dort eine entsprechende Fuge ab. Flugs stellte sie einige der herumstehenden Kartons pyramidenartig aufeinander und kletterte vorsichtig hinauf. Nach einigen fruchtlosen Versuchen gelang es ihr schließlich, die Klappe zu öffnen. Der Weg war frei.
    Durch die Öffnung drückte stickige Luft aus dem Schacht herein. Jo leuchtete nach oben, konnte jedoch nicht viel erkennen. Kurz entschlossen streckte sie die Arme durch das Loch und suchte nach einem Halt auf dem Dach der Kabine. Nach mehreren Versuchen gelang es ihr, sich hochzuziehen und hindurchzuzwängen. Echt gruselig hier, dachte sie und verdrängte ihr Unbehagen. Im Schein ihrer Maglite war über ihr die

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