Seerache
und nickte erleichtert. »Tja, warum?«
»Wenn ich das weiterspinne – und vor allem, wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass du Hauschilds Unfall mitnichten für gesichert hältst …«
»Mitnichten«, pflichtete Wolf ihm bei.
»Also, was ich sagen will … wäre das nicht ein klassisches Mordmotiv?«
»Schon möglich«, antwortete Wolf. »Doch solange wir den Gläubiger nicht kennen, bringt uns das nicht viel. Deshalb sollten wir an genau diesem Punkt den Hebel ansetzen.«
»Du meinst …«
»Ich meine, die Spurenlage in Hauschilds Wohnung muss ab sofort neu bewertet werden. Wir brauchen neben einem Verbindungsnachweis seiner letzten Telefonate vor allem eine Genehmigung zur Konteneinsicht. Möglicherweise geben auch die sichergestellten Unterlagen Aufschluss darüber, von wem er die fragliche Summe erhalten hat. Und wenn alle Stricke reißen, bleibt uns noch die Befragung der Menschen aus seiner Umgebung. Allerdings …« Hier stockte er.
»Allerdings?«
»Allzu viel würde ich mir von diesen Maßnahmen nicht versprechen.«
»Ja, wie denn nun? Hältst du das Motiv nicht für ausreichend genug, oder was?«
»Mitnichten, um dein schönes Wort noch einmal zu gebrauchen. Natürlich sind vierunddreißigtausend Euro ein ausreichendes Mordmotiv – wir beide wissen, dass so mancher schon für eine weit geringere Summe um die Ecke gebracht wurde. Andererseits spricht eine Reihe von Gründen dagegen. Unter anderem der äußere Augenschein. Nach meiner Einschätzung wäre die Schuldsumme für Hauschild ein Pappenstiel gewesen. Du fragst also zu Recht, warum er sie nicht fristgemäß zurückbezahlt hat. Erste Möglichkeit: Er hat den Zahlungstermin schlicht und einfach verpennt. Das halte ich allerdings für unwahrscheinlich. So etwas würde einem Banker kaum passieren. Zweite Möglichkeit: Er hat den Zahlungstermin bewusst ignoriert. Aber wieso? Und wer käme überhaupt als Täter in Frage? Der Gläubiger? Halte ich für abwegig. Der will in erster Linie sein Geld, da lässt er nicht die Quelle versiegen. Immerhin scheinen wir es mit einem Profi aus dem kriminellen Milieu zu tun zu haben. Solche Leute achten akribisch darauf, alle Spuren hinter sich zu verwischen. Nimm nur den Schuldschein. Du findest nicht den geringsten Hinweis auf den Gläubiger darauf. Mit anderen Worten: Wir schwimmen, und zwar im Kreis.«
»Okay. Nehmen wir mal an, du hättest recht: Wie passt dann die fehlende Skulptur ins Bild?«
Wolf sah auf die Uhr, während er mit den Schultern zuckte. »Im Augenblick überhaupt nicht – ebenso wenig wie der zweite tote Banker. Aber ich bin sicher, dass alles irgendwie zusammenhängt. Doch darüber will ich jetzt nicht auch noch spekulieren. Wir sollten uns lieber konkreteren Dingen zuwenden …«
»Hab schon verstanden. Du meinst den Mord an dem Barmann, ja?«
In diesem Augenblick marschierte Jo herein. Als sie Vespermann sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. »Oh, Sie haben Besuch, Chef? Dann geh ich kurz in die Kantine. Mir hängt der Magen bereits am großen Zeh.«
Schon wollte sie umkehren und den Raum verlassen, als ein »Stopp!« von Wolf sie zurückrief. »Bleib bitte. Darf ich dir unseren neuen Kollegen vorstellen: Das ist Kriminaloberkommissar Bernd Vespermann.«
Noch ehe sich Jo von ihrer Überraschung erholt hatte, streckte Vespermann ihr die rechte Hand entgegen. »Gerd. Ich heiße Gerd«, meinte er mit einem Seitenblick auf Wolf. »Alsdann, auf gute Zusammenarbeit.«
»Joanna Louredo.« Sie nickte ihm zu. »Für die Kollegen bin ich Jo.« Verzweifelt war sie bemüht, das Gesicht nicht zu verziehen, während Vespermann ihre Hand wie mit einem Schraubstock zusammenpresste. Sie hatte einen kraftlos-teigigen Händedruck erwartet – und nun das.
»Weiß ich, Jo, auch dass du aus Portugal kommst. Schönes Land, war schon zweimal dort. Hab ein paar tolle Rezepte mitgebracht …«
»Äh, ab sofort wird Gerd das D1 verstärken«, fuhr Wolf dazwischen. »Er wird zunächst schwerpunktmäßig im Fall des toten Barmanns tätig sein. Das bedeutet, dass wir beide uns voll auf die Banker konzentrieren können. Ich schlage vor, Gerd macht sich zunächst mit dem Fall vertraut. Würdest du ihm die Berichte übergeben? Wir beide setzen uns dann in zehn Minuten in meinem Büro zusammen.« Damit wandte er sich wieder Vespermann zu. »Selbstverständlich stehen Jo und ich dir bei Rückfragen zur Verfügung. Und die Vorstellung bei den anderen Dezernaten holen wir in Kürze nach, versprochen.
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