Seeteufel
nicht gut tat. Vielleicht aber würde es das Gesprächsklima fördern und ihn auf diese Weise seinem Ziel näher bringen? Dann hätte er seinen Schlaf wenigstens nicht grundlos geopfert.
Kurz darauf kam Karin Winter mit zwei Kaffeepötten an. Einen reichte sie an Wolf weiter. »Schwarz, ohne Zucker, richtig?« Als er nickte, fügte sie huldvoll hinzu: »Den Pott dürfen Sie behalten. Die Zeichnung darauf stammt übrigens von Tomi Ungerer.« Erst jetzt nahm Wolf den Werbeaufdruck wahr. Er zeigte einen Zeppelin, der eine Zeitung im Schlepp hinter sich herzog â unzweifelhaft einen »Seekurier«.
Wolf nahm einen ersten Schluck. Er war überrascht, das Zeug schmeckte gut, jedenfalls besser als in der Polizeidirektion. Absichtlich lieà er sich Zeit, denn er wusste, sie hatte angebissen. Sie würde alles tun, sich den erhofften Informationsvorsprung zu sichern.
Und er selbst? Für ihn war es eine Gratwanderung. Natürlich verstieà er gegen seine Dienstvorschriften. Doch damit konnte er leben, zumal sich solche Deals für ihn, genauer: für die polizeiliche Ermittlungsarbeit, bisher stets ausgezahlt hatten. Geschäft gegen Geschäft, Vertrauen gegen Vertrauen, so einfach war das. Gerade bei Karin Winter hatte er da ein gutes Gefühl. Anders als viele ihrer Kollegen war sie nicht auf Sensationsjournalismus aus. Man konnte sich auf ihr Wort verlassen, und mehr als einmal hatte Wolf nur dank ihres Spürsinns und ihrer, gelinde gesagt, unkonventionellen Art der Informationsbeschaffung höchst komplizierte Fälle gelöst â er brauchte da nur an die Markdorfer Giftmüllmafia zu denken, deren mörderischem Treiben sie ohne die Recherchen der Winter nicht annähernd so schnell beigekommen wären. AuÃerdem empfand er irgendwie so etwas wie â ja, wie Zuneigung ihr gegenüber ⦠rein platonisch, versteht sich.
»Also, ich höre!«, brach sie schlieÃlich das Schweigen.
»Sie hatten recht«, begann er zögernd, »es handelt sich tatsächlich bei allen drei Männern um Mord. Vergiftet mit Arsen, wie die KTU ergab.« Ehe er fortfuhr, sah er sie eindringlich an: »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass es sich dabei um Täterwissen handelt. Sie dürfen das zum jetzigen Zeitpunkt unter keinen Umständen verwenden, ist das klar?«
»Aber ja doch, seien Sie unbesorgt. Haben Sie schon einen Verdacht, wer hinter den Morden steckt?«
Wolf hatte die Frage erwartet. »Das ist es ja: Nein, nicht einmal die Spur eines Verdachtes, wenn ich ehrlich sein soll.« Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet.
Karin Winter war nicht sonderlich überrascht. Wolfs Eröffnungen deckten sich mit ihren Erkenntnissen. Das angebliche Erbe der beiden Penner fiel ihr ein. Gab es tatsächlich eine Verbindung zwischen dieser Erbschaft und den drei Morden? Und wenn ja, wie sah sie aus? Laut Göbbels hatten nur Havanna und Einstein geerbt. Wieso aber hatte dann Otto sterben müssen? Sie überlegte, ob sie Wolf von der angeblichen Erbschaft und dem Notar erzählen sollte. Doch was wusste sie schon? Nichts! Das Beste wäre, Göbbelsâ Hinweise bis auf Weiteres für sich zu behalten. Sie war sicher, Wolf würde noch früh genug darauf stoÃen. Erst mal musste sie den Notar aushorchen, um sicher zu sein, dass Göbbels nicht geflunkert hatte.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Wolfs Augen fragend auf sie gerichtet waren. Er schien irgendetwas gesagt zu haben und auf ihre Antwort zu warten. Für einen Moment war sie verwirrt. »Entschuldigen Sie, ich war geistig weggetreten. Was haben Sie gesagt?«
»Na, Gott sei Dank. Im ersten Moment dachte ich schon, mein Plan hätte Sie umgehauen.«
»Plan?«
»Ja. Ich habe nämlich gefragt, wieso wir die Täter mühsam suchen sollen. Warum lassen wir sie nicht einfach kommen?«
»Wir?«
»Ich erklär es Ihnen â¦Â«
*Â *Â *
»An diesen Service könnt ich mich gewöhnen, ihr Hübschen ⦠ihr versteht euer Handwerk, ehrlich ⦠jaaa, macht weiter so«, forderte der Igelmann mit geschlossenen Augen und sog die Luft zwischen den Zähnen ein. Ohne einen Fetzen Stoff an seinem fülligen Körper lag er in einem der Lederfauteuils, hatte die Hände hinter den Kopf gelegt und bot sich den flinken Händen der beiden Mädchen dar, die neben ihm
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