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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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herrschte auf dem Platz längst tote Hose, und da er in dienstlichem Auftrag unterwegs war, hielt er sein Vergehen für hinreichend legitimiert.
    Wolf erwog, noch schnell eine Gitanes anzustecken, seine Nerven gierten danach. Er verwarf den Gedanken jedoch wieder. Er durfte die Winter unter keinen Umständen verpassen, wollte er seinen Plan nicht gefährden. Also griff er zu seinem Barett, das neben ihm lag und das er nur dann absetzte, wenn er sich allein wusste. Er kannte das Gerede von dem Messerstecher und der Kahlstelle auf seinem Haupt, die er mit der Kopfbedeckung verschämt zu bedecken suchte. Ein Körnchen Wahrheit war ja dran, auch was das verschämt bedecken anging. Tatsächlich aber hatte er dem Delinquenten das Messer längst aus der Hand geschlagen, als dieser ihm bei dem nachfolgenden Ringen ein Büschel Haare ausriss, samt Kopfhaut, versteht sich, und ihm eine Schmarre, groß wie ein Zwei-Euro-Stück verpasste, auf der fürderhin keine Haare mehr wuchsen. Mehr noch als der kahle Fleck jedoch missfiel Wolf die bleibende rote Narbe, die noch immer, selbst nach so vielen Jahren, einer kaum verheilten Wunde glich. Hatten so einst skalpierte Bleichgesichter ausgesehen?
    Sei’s drum, im Moment gab es wahrlich Wichtigeres zu tun. Mit wenigen Schritten war er am Eingang zur Greth. So rasch ihn seine Füße trugen, eilte er in die erste Etage, betrat, ohne angesprochen zu werden, die Redaktionsräume, die im Wesentlichen aus einem endlos langen Großraumbüro bestanden, das er bereits von früheren Besuchen her kannte und das man durch brusthohe mobile Trennelemente geschickt aufgeteilt hatte.
    Wolf entdeckte Karin Winter hinter einer der Trennwände, wo sie mit zusammengekniffenen Augen auf ihren Bildschirm starrte. Noch ehe er sie erreicht hatte, griff sie zum Telefon. Als sie ihn erkannte, gab sie ihm ein Zeichen, sich kurz zu gedulden, und sprach ein paar Worte in den Hörer.
    Â»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich anschließend, während Wolf ihr die Hand schüttelte, »Sie wissen ja, um dreiundzwanzig Uhr dreißig haben wir Deadline, danach geht nichts mehr. So, und nun lassen Sie mal die Hosen runter!«
    Â»Hier, vor allen Leuten?«, grinste Wolf.
    Â»Warum nicht?«, erwiderte sie ungerührt. »Mich kann nichts mehr erschüttern. Sie wissen ja: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.«
    Sie legte ihm einen Spaltenausdruck vor. »Unser Aufmacher für die morgige Ausgabe«, erklärte sie. »Ich nehme an, deshalb sind Sie gekommen.«
    Â»Sie gehen ja ganz schön ran«, kommentierte Wolf, nachdem er sich vom Nachbarplatz einen Stuhl herübergezogen und den Text gelesen hatte. Schon bei der Headline hatte er heftig schlucken müssen. »›Mord im Pennermilieu?‹ – finden Sie das nicht ein bisschen dick aufgetragen?«
    Â»Wieso? Steht doch ein Fragezeichen dahinter, haben Sie das übersehen? Wir äußern lediglich eine Befürchtung. Aber jetzt mal im Ernst: Wollen Sie mir weismachen, beim Tod der drei Männer sei alles mit rechten Dingen zugegangen? Spätestens bei Ottos Leiche war für mich klar, dass da jemand nachgeholfen hat. Die Frage ist nun: Wer war’s? Und vor allem: Warum? Und versuchen Sie bloß nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen.« Sie sah auf die Uhr. »Mein Gott, schon so spät. Mir knurrt der Magen.«
    Â»Wie lange können Sie Ihren Text noch ändern?«, fragte Wolf, ohne auf ihre Fragen einzugehen.
    Â»Vergessen Sie’s. Der Zug ist abgefahren.«
    Wolf seufzte. »Frau Winter, kommen Sie, ein bisschen was geht immer. Und falls es eine Frage des Preises sein sollte: Bitte sehr, ich bin auch bereit, dafür zu bezahlen, symbolisch, versteht sich …«
    Â»Sehen Sie, so gefallen Sie mir schon besser, Herr Wolf. Wenn ich Sie recht verstehe, wollen diesmal Sie mir ein Geschäft vorschlagen? Also gut! Aber bitte zu meinen Bedingungen: Ich bekomme, wenn der Fall aufgeklärt ist, alle wichtigen Informationen aus erster Hand, und zwar einen Tag früher als meine Kollegen. Ist Ihnen eine Änderung meines Artikels so viel wert?«
    Â»Ist das nicht ein bisschen viel verlangt, Madame?«
    Â»Nehmen Sie einen Kaffee?« Karin war aufgestanden und schickte sich an, zur Kaffeemaschine zu gehen.
    Â»In Gottes Namen«, stimmte Wolf kurzerhand zu. Er wusste, dass das Gebräu seiner Nachtruhe

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