Seeteufel

knieten und ihn nach allen Regeln der Kunst massierten. »Ahhh … ihr macht das gut … ihr macht das sehr gut!«, stöhnte er und atmete womöglich noch eine Spur schneller. Wie in Trance machte er die Beine breit, spürte, wie die Lust durch seinen Körper flutete, fühlte sich emporgehoben, auf höchsten Gipfeln entschwebend und wollte immer noch höher und höher hinauf. Dann, für einen kurzen Augenblick nur, kehrte er in die Wirklichkeit zurück, warf aus halb geschlossenen Lidern einen verstohlenen Blick zu dem zweiten Fauteuil hinüber, auf dem zwei weitere Mädchen den muskulösen Körper seines Partners bearbeiteten. Was er sah, erregte ihn so sehr, dass er, ohne es zu wollen, zum Höhepunkt kam; in wilden Zuckungen bäumte er sich auf, ekstatisch fuhren seine Arme nach vorn, griffen nach den Brüsten der Mädchen, die, solchermaßen angefeuert, nur noch fester zupackten und spitze Schreie ausstießen, so lange, bis der Mann endlich genug von ihnen hatte und sie träge von sich schob.
    Es war ein Abend so richtig nach seinem Geschmack, da wusste man doch, wofür man lebte!
    Geraume Zeit blieb er wohlig entspannt liegen, lauschte der Musik, tauchte ein in die Welt der Taberna-Szenen, der drastischen Trinklieder des späten 13. Jahrhunderts, von Carl Orff in seiner Carmina Burana so trefflich intoniert, so gewaltig, so mitreißend, dass der Zuhörer regelrecht mit ihnen verschmolz.
    Irgendwann richtete er sich auf und verlangte Champagner. Bereitwillig reichte ihm eines der Mädchen ein Glas, das er auf einen Zug leerte. Genießerisch sah er zur Decke hoch. Offensichtlich hatten die Vorhaltungen seines Kumpans gefruchtet, Alma hatte das Beste auffahren lassen, was Küche und Keller hergaben. Na also, ging doch!
    Â»Jetzt noch eine Zigarre«, stöhnte er, »am besten eine Brasil«, als wie aus dem Boden gewachsen Alma im Raum stand und dem Rothaarigen ein Mobiltelefon reichte.
    Â»Was gibt’s?«, meldete der sich unwirsch und befreite sich von den Mädchen, die nur widerwillig von ihm abließen. Konzentriert hörte er einen Augenblick zu. Sekunden später ließ er das Telefon sinken. Benommen starrte er vor sich hin, ehe er langsam den Kopf drehte und zum Igelmann hinübersah. »Scheiße!«, flüsterte er tonlos.
    Dann brach es aus ihm heraus: »Schluss mit lustig! Raus hier, alle, aber dalli!«, herrschte er die Mädchen an. Als die vier nicht schnell genug reagierten, legte seine Stimme an Schärfe zu: »Habt ihr nicht gehört? Ihr sollt abhauen, verdammt noch mal!«
    Wortlos rafften die Mädchen ihre Fummel zusammen und verdrückten sich.
    Â»Was ist denn in dich gefahren, kannst du mir das mal erklären?« Der Igelmann war überrascht und empört zugleich.
    Â»Du wirst es nicht glauben! Havanna …«
    Â»Herrgott noch mal, so rede doch endlich! Was ist mit Havanna?«
    Â»Er … er lebt!«
    Â»Mach keine Witze! Tot ist tot, es gibt keine Auferstehung.«
    Â»Anscheinend doch. Hab’s grade erfahren. Angeblich haben sie ihn im Krankenhaus erfolgreich reanimiert.«
    Â»Sagt wer?«
    Â»Na, wer wohl? Unsere Quelle beim ›Seekurier‹ .«
    Panisch kaute der Igelmann auf seiner Unterlippe. »Soll das heißen, die Meldung ist gesichert?«
    Â»Darauf kannst du einen lassen. Sie steht morgen früh auf der Titelseite.«
    Â»Dann gnade uns Gott.«

3
    Endlich zeigte der Wettergott ein Einsehen: Der zähe Morgennebel war ausgeblieben. Als wäre nichts gewesen, blinkten vom schweizerischen Ufer tausend Lichter herüber; ein milder, sonniger Spätherbsttag kündigte sich an.
    Wolf hatte nach einem Blick aus dem Fenster ausgiebig gegähnt und sich noch einmal auf ein Viertelstündchen hingelegt. Prompt war er wieder eingenickt. So traf er, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, erst gegen acht im »Aquarium« ein. Er stellte den Dienstwagen auf einem der reservierten Parkplätze ab, überzeugte sich im Vorübergehen, dass sein Fahrrad noch am angestammten Platz stand und betrat schließlich das Gebäude durch den Hintereingang. Unschlüssig verharrte er für einen Moment in der Halle. Treppe oder Aufzug? Er entschied sich ausnahmsweise für den Aufzug. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern des sperrigen Gegenstandes wegen, den er mit beiden Händen vor sich hertrug. Die rote Kunststoffbox hatte