Seeteufel
wiedererkannt, da dieser einen hochgeschlossenen dunkelgrauen Strickpullover trug und sich zusätzlich einen schwarzen Wollschal um den Hals geschlungen hatte. Vermutlich sollte das der Umwelt signalisieren, dass sein am Vortag noch durchaus moderater Schnupfen zwischenzeitlich zu einem lebensbedrohlichen grippalen Infekt ausgewachsen war. Um solche Diagnosen zu stellen, reichte Vögelein bereits ein »Hochschnellen« der Körpertemperatur um lumpige zwei Zehntel Grad innerhalb eines halben Tages. Wolf war beinahe versucht, sich aus reiner Bosheit eine Gitanes anzustecken, lieà es dann aber mit Rücksicht auf Jo doch sein.
Nachdem Vögelein auf die Frage, ob er den Artikel im »Seekurier« kenne, apathisch genickt hatte, begann Wolf mit seinen Ausführungen.
»Ich verstehe, dass euch Havannas wundersame Erweckung von den Toten spanisch vorkommt. Ginge mir genauso. Und vermutlich ahnt ihr auch, was dahintersteckt. Was wir haben, sind drei tote Penner, nicht mehr und nicht weniger. Keine Spuren, keine Hinweise, noch nicht einmal einen vagen Verdacht. Mit anderen Worten: Wir tappen im Dunkeln! Nun fürchte ich, dass sich an dieser Ausgangslage auch dann nichts ändert, wenn uns die Abschlussberichte der Rechtsmedizin und der Spurensicherung vorliegen. Aber irgendjemand hat mächtig viel Mühe darauf verwandt, diese Obdachlosen möglichst unauffällig ins Jenseits zu befördern. Und genau an diesem Punkt sollten wir den Hebel ansetzen, wenn ihr versteht, was ich meine.«
Gespannt ging sein Blick von Jo zu Vögelein, doch bis jetzt schien er noch keinen Nerv getroffen zu haben. Seufzend fuhr er fort: »Die Sache ist doch im Grunde ganz einfach. Angenommen, einer der drei Penner hätte tatsächlich überlebt â welche Folgen hätte das für die Täter?«
In Jos Augen blitzte eine Ahnung auf. »Raffiniert!«, hauchte sie anerkennend. Auch Hanno Vögelein schien plötzlich vom Baum der Erkenntnis genascht zu haben. »Da könnte was dran sein«, äuÃerte er bedeutungsschwanger, lieà jedoch offen, an was er dabei dachte.
»Halten wir also fest«, fuhr Wolf unbeirrt fort, »dass auÃer dem mit den Ermittlungen befassten Personenkreis nur wenige wissen, dass keines der Opfer überlebt hat. Genau genommen nur Frau Winter und ihr Chefredakteur Matuschek. Wenn nun im âºSeekurierâ¹ steht, einer der drei Männer sei ins Leben zurückgeholt worden â müssen das die Täter nicht für bare Münze nehmen? Unterstellen wir mal, dass es so ist. Was würden sie wohl als Nächstes tun â zumindest versuchen zu tun?«
»Den Ãberlebenden endgültig zum Schweigen bringen«, stieà Jo hervor.
»Genau. Denn ein Ãberlebender würde auf einen Schlag alle Bemühungen der Täter zunichtemachen, die Hintergründe ihrer Tat zu verschleiern.«
Jo runzelte die Stirn. »Das heiÃt?«
»Der Wieder-zum-Leben-Erweckte, sprich: der angebliche Havanna, liegt auf der Intensivstation des Ãberlinger Krankenhauses, wie ihr dem Artikel entnommen habt. Und genau dort fahren Hanno und ich jetzt hin â¦Â«
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Vögelein hoch. »Ãh ⦠Entschuldigung, Chef, aber wieso gerade ich? Wäre nicht Jo ⦠ich meine, wo man sich doch im Krankenhaus weià Gott was holen kann, und meine Gesundheit â¦Â«
»Red keinen Stuss! In Wahrheit bist du der Gesündeste und Robusteste von uns allen, du weiÃt es nur noch nicht. Was ich dort brauche, ist ein gestandenes Mannsbild! Weià der Himmel, mit welchen Leuten wir es bei diesem Job zu tun bekommen.«
»Was ist, wenn plötzlich Sommer hereinschneit und wissen will, wo die Herren Kommissare abgeblieben sind?«, gab Jo zu bedenken.
»Keine Sorge«, nahm er Jo denn auch sofort den Wind aus den Segeln, »natürlich ist Sommer eingeweiht. Ãbrigens auch der Staatsanwalt. Hat mich die halbe Nacht gekostet, die beiden weichzukochen!«, brummte er.
»Na gut. Und was ist mit mir?«
»Du kümmerst dich in der Zwischenzeit um die Beschaffung der noch ausstehenden Berichte. Wenn wir zurück sind, will ich alles auf dem Tisch haben. Und knöpf dir noch einmal Göbbels vor, nimm aber einen Schupo mit, notfalls schafft ihr ihn hierher. Wenn einer was weiÃ, dann Göbbels; wir müssen ihm nur die richtigen Fragen stellen. Ach ja, noch was: In ihrem
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