Seeteufel
Todeszeitpunkt sagen?«
»Nun, die Totenstarre war in Muskulatur und Gelenken voll ausgeprägt, dazu die Totenflecken, die Körpertemperatur ⦠ich würde sagen, in der Nacht von gestern auf heute, ziemlich genau um Mitternacht, plus/minus eine Stunde. Ãbrigens: Wenn ich mich nicht sehr irre, ist der dritte Mann genau auf die gleiche Weise zu Tode gekommen. Jedenfalls ist er nicht ertrunken. Da war kein Wasser in der Lunge, er muss also bereits tot gewesen sein, als man ihn in den See geworfen hat. Im Ãbrigen ergab bereits eine oberflächliche Untersuchung an Fingernägeln, Haaren und Schleimhäuten identische Symptome.«
»Also ebenfalls Arsen?«
»Davon können Sie schon mal ausgehen. Morgen kann ich Ihnen dann Genaueres sagen.«
Nach diesen Ausführungen verabschiedete sich Wolf von Frau Dr.  Reichmann und beeilte sich, die Pathologie zu verlassen. Noch auf dem Weg zu seinem Dienstfahrzeug kramte er sein Handy hervor und drückte auf eine Kurzwahltaste. Eine hektische Frauenstimme meldete sich.
»Frau Winter, wo sind Sie gerade?«
»In der Redaktion, aber nicht mehr lange. Mein Artikel steht, ich verschwinde in wenigen Minuten. Worum gehtâs?«
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich brauche Ihre Hilfe, jetzt sofort! In zehn Minuten bin ich bei Ihnen.«
*Â *Â *
Die Geduld des Igelmanns wurde auf eine harte Probe gestellt. Mehr als einmal war er nahe daran einzunicken, stets schreckte er in letzter Sekunde hoch. Um sich wach zu halten, verfiel er auf allerlei gymnastische Ãbungen, doch an mehr als Armbeugen und Schulterrollen war im Wagen nicht zu denken. Endlich, nach einer guten halben Stunde, schien sich etwas zu rühren. Als wollte sich der Fahrer zunächst vergewissern, ob die Luft auch wirklich rein wäre, kroch ein dunkler Mittelklasse-Toyota auf den kleinen Parkplatz. Nach wenigen Metern hielt er an.
Mit einem Schlag war der Igelmann hellwach. »Na endlich«, murmelte er. Das Zeichen ⦠er musste das vereinbarte Zeichen geben. Fahrig griff er ins Handschuhfach, holte sein Feuerzeug heraus und lieà es kurz aufflammen.
Der Toyota kam direkt neben dem Audi zum Stehen. Wortlos stiegen beide Fahrer aus, schlossen ihre Wagen ab und gingen auf den Hintereingang des Gebäudes zu. Der Igelmann betätigte den Klingelknopf. Ein Summer ertönte und die Tür sprang auf.
Sie hatten das Haus noch nicht richtig betreten, da segelte auch schon eine üppig gebaute Mittfünfzigerin mit ausgebreiteten Armen auf sie zu und drückte sie, einen nach dem andern, an ihren gewaltigen Busen.
»Willkommen, meine Freunde!«, dröhnte sie mit rauchiger Stimme.
Die dunkelhaarige Matrone hatte sich in eine Art Ballkleid aus türkisfarbener Seide gezwängt, das verdächtig an ein Operettenkostüm erinnerte und bei jeder Bewegung ihren massigen Körper umwogte. Da sie auf diese Weise eher einem aufgetakelten Flaggschiff denn einer schlichten Empfangsbarkasse glich, signalisierte sie unmissverständlich, wer an Bord das Kommando hatte.
Gelassen lieÃen die Männer die BegrüÃung über sich ergehen. »Nun mach mal halblang, Alma, dein Make-up könnte abbröckeln«, lachte der Igelmann.
Eilfertig steuerte das Flaggschiff einen Flur entlang und führte die beiden Männer in einen Salon, dessen Mitte von einer festlich gedeckten Tafel eingenommen wurde.
»Man muss die Feste feiern, wie sie fallen«, nickte der Igelmann anerkennend, dem angesichts der sechs Gedecke bereits jetzt das Wasser im Munde zusammenlief. An die stilvolle Einrichtung des Raumes verschwendete er keinen Blick, ganz offensichtlich war er nicht zum ersten Mal hier.
»Darf ich euch die Jacken abnehmen, eh ihr euch ins Verderben stürzt ⦠äh, ich meine natürlich ins Vergnügen?«, fragte Alma augenzwinkernd und amüsierte sich köstlich über den vermeintlichen Witz. Ohne Umschweife kamen die Männer der Aufforderung nach.
»Also, Alma«, ergriff nun der Toyotafahrer das Wort und fuhr mit einem Kamm durch sein rot schimmerndes Haar. »Wie besprochen erst das Essen. Dazu hätten wir gerne Champagner. Aber echten bitte, nicht wieder das Gesöff vom letzten Mal. Schick die Mädchen rein ⦠oder nein, warte ein paar Minuten. Mein Partner und ich haben noch etwas zu besprechen.«
»Wird gemacht«, beeilte sich die dienstbare Matrone zu entgegnen.
Kaum war die Tür
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