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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Fleischverarbeitungs-GmbH«. Kunstvoll waren die Buchstaben SFV in das Emblem eines vergnügt dreinschauenden Schweins eingewoben, das sich nicht nur durch einen umgebundenen Latz, sondern vor allem durch Messer und Gabel in den Vorderpfoten vom Gros seiner Spezies deutlich unterschied – vermutlich sollten auch Analphabeten auf Anhieb erkennen, was hinter diesen Mauern Sache war.
    Â»Ich denke, in einer Viertelstunde bin ich wieder zurück«, sagte Jo und stakste davon. Sie spürte förmlich Schürmanns Blicke im Rücken. Normalerweise waren ihr solche Anwandlungen fremd. Umso überraschter reagierte sie auf das sanfte Kribbeln, das sie bei der Vorstellung daran durchströmte.
    Nachdem sie sich am Empfangsschalter ausgewiesen hatte, verlangte sie den Betriebsleiter zu sprechen. Sie musste in einem engen Kabuff ein paar Minuten warten, ehe ein hagerer Mittfünfziger in weißem Mantel und mit einer Haube auf dem Kopf auf sie zutrat und ihr die Hand hinstreckte.
    Â»Jeschke«, stellte er sich vor.
    Abermals rasselte Jo ihr Sprüchlein herunter, um sogleich ohne Umschweife ihr Anliegen vorzubringen: »Wir ermitteln gerade in einem Einbruchsdelikt, das möglicherweise im Zusammenhang mit einem Mordfall steht. Ich suche nach der Herkunft eines Rinderauges, das bei diesem Fall eine gewisse Rolle spielt. Es könnte uns zu den Tätern führen.«
    Jeschke gab sich keine Mühe, sein Erstaunen zu verbergen. »Sagen Sie das noch mal: ein Rinderauge? Bei einem Mordfall? Doch nicht als Tatwaffe? Entschuldigen Sie, kleiner Scherz. Aber so was ist mir wirklich noch nicht untergekommen.«
    Jo hielt es für klüger, nicht näher darauf einzugehen. Sie fragte sich, wie sie ihn zu einer Aussage bewegen konnte, ohne dass sie allzu viel preisgab.
    Â»Ich gebe zu, es ist schwer verständlich«, sagte sie schließlich. »Aber sehen Sie, für Sie mag ein Rinderauge ein alltäglicher Anblick sein, bei einem Normalsterblichen jedoch kann es durchaus ein gewisses Gruseln auslösen – zum Beispiel, wenn er in seine Wohnung zurückkehrt, und dann liegt da so ein Ding auf dem Tisch.«
    Â»Warum sollte jemand so etwas tun?«, fragte Jeschke verwundert.
    Jo zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Aber zurück zu meiner Frage: Könnte das Auge aus Ihrem Haus stammen?«
    Jeschke schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen.«
    Â»Wirklich? Bitte denken Sie noch einmal darüber nach.«
    Â»Ich werde doch unseren Laden kennen.«
    Jo hatte wenig Lust, Jeschke auf die Füße zu treten, aber sie wusste, dass sie auch hier Detailfragen zum Produktionsablauf stellen musste, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu sichern.
    Â»Wo werden die Augen ausgelöst? Und was passiert anschließend mit ihnen?«
    Jeschke zögerte mit der Antwort. »Bitte kommen Sie mit«, sagte er unvermittelt. Mit großen Schritten eilte er den Flur entlang, nur mit Mühe vermochte Jo ihm zu folgen. Sie erreichten schließlich eine zweiflügelige Tür, die nach Jos Dafürhalten in das angrenzende Gebäude führte. »Zutritt strengstens verboten« verkündete ein Schild, das Jeschke jedoch ignorierte. Ohne seine Schritte zu verlangsamen, trat er in den dahinterliegenden Raum und bedeutete Jo, ihm zu folgen.
    Größer hätte der Kontrast nicht sein können: Waren draußen auf dem Flur allenfalls gedämpfte Geräusche aus den angrenzenden Büros zu hören gewesen, so erfüllte nun ein unbeschreiblicher Lärm die Luft.
    Sie befanden sich in dem großen Schlachtersaal.
    Jo wusste nicht, was stärker auf sie eindrang: das unaufhörliche Rattern der Kreisförderer, die permanent neue Schweine- und Rinderhälften herbeischafften, denen weiß gekleidete, mit Sägen und Messern bewaffnete Männer ohne Zögern zu Leibe rückten, der durchdringende Geruch nach Blut und zerlegten Tierkörpern oder das grelle Neonlicht, das nichts verbarg und dessen kalte Strahlen bis in den letzten Winkel des Raums drangen.
    Jeschke steuerte einen Tisch an, an dem einer der weiß gekleideten Männer geschickt mit einem Messer hantierte und die aus Rinderköpfen ausgelösten Teile in Container verteilte, von denen eine ganze Batterie den Tisch umstand.
    Â»Mach mal Pause, Zygmunt«, brüllte Jeschke gegen den Lärm an und gab dem Mann ein Zeichen, sich zu entfernen.
    Â»Nix

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