Seeteufel
Kunde aus unerfindlichen Gründen zusammenbrach. Verzweifelt bemühte sich die Angestellte um den Mann, der keinen Mucks mehr von sich gab. SchlieÃlich holte sie von hinten ihren Kollegen zu Hilfe. Gemeinsam brachten die beiden den Mann wieder auf die Beine und schickten ihn nach Hause. In der Aufregung war der Angestellten völlig entgangen, dass der erste Kunde mitsamt seinem Rezept zwischenzeitlich das Weite gesucht hatte. Als sie es bemerkte, dachte sie sich noch nichts dabei. Kurze Zeit später fielen die beiden Apotheker jedoch aus allen Wolken: Im Giftschrank, der in einem angrenzenden Raum steht und während des normalen Geschäftsbetriebes nicht abgeschlossen ist, fehlten mehrere Verpackungen und eine Kunststoffbox.«
»Das Arsen.«
»Nicht nur. Wie die nachfolgenden Recherchen ergaben, enthielten die Behältnisse neben verschiedenen Barbituraten insgesamt vierundzwanzig Gramm Arsen, vorschriftsmäÃig in zwölf Glasampullen abgefüllt.«
»Wenn ich recht informiert bin, reichen bereits sechzig Milligramm, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Was, glaubst du, haben die Täter damit bezweckt?«
»Es ist müÃig, darüber nachzudenken. Wir wissen es nicht.«
»Was ich nicht verstehe: Warum hat eine einzige Apotheke so viel von diesem Zeug auf Lager? Das ist doch eine potenzielle Gefahrenquelle.«
Jakoby nahm einen Zettel von seinem Schreibtisch und las laut ab: »Arsen, hochtoxisch durch die Unterbrechung biochemischer Prozesse wie die DNA -Reparatur, den zellulären Energiestoffwechsel, rezeptorvermittelte Transportvorgänge und die Signaltransduktion. Akute Arsenvergiftung führt zu Krämpfen â¦Â«
»Danke, ich hab mit eigenen Augen gesehen, wozu das führt. Also noch mal: Weshalb diese Menge?«
»Auch heute noch kommt Arsen, wenn auch in minimalen Dosen, bei bestimmten Rezepturen zum Einsatz. Dafür halten Apotheken stets eine bestimmte Grundmenge unter Verschluss. Bei dieser Apotheke hier wurde der gröÃere Teil jedoch für ein hiesiges Forschungslabor vorgehalten, das sich mit der Neuentwicklung von Hautpräparaten und Herz-Kreislauf-Mitteln sowie von Medikamenten gegen akutes Nierenversagen beschäftigt.«
Wolf dachte kurz nach. »Ich möchte gerne mit der Apothekenangestellten sprechen. Geht das?«
»Klar, geht das. Die Frau ist heute Nachmittag bei der Arbeit anzutreffen, der Inhaber hat es mir zugesichert. Wenn du willst, können wir sofort los.«
Eine halbe Stunde später stand Wolf dem Inhaber und seiner Angestellten gegenüber. Nachdem die Frau das Vorkommnis äuÃerlich unbewegt geschildert hatte, geriet sie durch Wolfs Fragen zunehmend in Erregung. Immer häufiger strich sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, zupfte sich am Ohrläppchen oder drehte nervös an den Knöpfen ihres Arbeitsmantels. Offensichtlich hatte sie den Vorfall noch immer nicht verarbeitet.
»Wissen Sie, welcher Arzt das Rezept ausgestellt hat?«, fragte Wolf nach der BegrüÃung.
»Nein, ich konnte den Aufdruck nur ganz kurz sehen, auÃerdem hielt der Mann seinen Finger auf den Stempel der Arztpraxis.«
»Aber an den Namen auf dem Rezept können Sie sich noch genau erinnern?«, vergewisserte sich Wolf noch einmal.
»Ja. Das Rezept, das mir der Mann hinhielt, war auf einen gewissen Gabriel Bretschwiler ausgestellt. Für Namen habe ich ein gutes Gedächtnis, müssen Sie wissen.«
»Das stimmt«, pflichtete der Apotheker bei.
»Der Ermittlungsakte zufolge verliefen alle diesbezüglichen Nachforschungen im Sande, richtig?«, wandte sich Wolf an Jakoby.
»Leider. Als hätte es diesen Namen nie gegeben. Entweder ist der Mann nirgends gemeldet, oder das Rezept war gefälscht, eins von beiden.«
Wolf zog zwei Blätter aus seiner Jackentasche und entfaltete sie. Es handelte sich um die Phantombilder. Er reichte sie der Frau. »Bitte sehen Sie sich die Gesichter darauf sehr genau an. Könnten das die Männer sein?«
Aufmerksam betrachtete die Angestellte die Ausdrucke. Gut eine Minute verstrich, ehe sie sich zu einer Antwort entschloss. »Ja ⦠und auch wieder nein.« Sie reichte das Blatt mit den unverkleideten Tätern an Wolf zurück und tippte auf die beiden anderen. »Bei diesen hier ist zwar eine gewisse Ãhnlichkeit vorhanden, aber sicher bin ich mir nicht.« Unschlüssig wiegte sie den
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