Segel aus Stein
Sie sah ihn an. Aufs Meer. Wieder aufs Feld. Sah ihn an.
»Ist das wahr?«, sagte sie. »Meinst du das wirklich?«
»Ja«, antwortete er, »du hast Recht. Wir kaufen das Grundstück.«
Aneta Djanali hatte ihren Polizeiausweis noch in der Hand, als die Frau die Tür schloss, die sie zuvor geöffnet hatte. Aneta Djanali hatte nicht einmal ihr Gesicht sehen können, nur einen Schatten und ein Augenpaar, das aufblitzte im schwindenden Tageslicht, dem einzigen Licht hier drinnen.
Sie klingelte noch einmal. Neben ihr stand eine junge Polizistin. Sie war noch nicht sehr viele Monate im Beruf. Ein Rookie, direkt vom Gymnasium. Angst scheint sie nicht zu haben, dachte Aneta Djanali, aber sie findet das hier auch nicht besonders witzig.
»Verschwinden Sie«, ertönte eine Stimme durch die Tür. Die Stimme klang schon gedämpft, bevor sie durch das doppelte Furnier oder was immer es war, drang, das sie vom verlängerten Arm des Gesetzes trennte.
»Wir müssen uns einen Augenblick unterhalten«, sagte Aneta Djanali zur Tür. »Über das ... was passiert ist.« Ein Murmeln war zu hören. »Ich habe nicht verstanden«, sagte Aneta Djanali. »Es ist nichts passiert.«
»Bei uns ist eine Anzeige eingegangen«, sagte Aneta Djanali.
Wieder ein Gemurmel.
»Wie bitte?«
»Von hier ist die nicht gekommen.«
Aneta Djanali hörte, wie hinter ihr eine Tür geöffnet und sofort wieder geschlossen wurde.
»Es ist nicht das erste Mal«, sagte sie. »Es war nicht das erste Mal.«
Die junge Polizistin neben ihr nickte.
»Frau Lindsten...«, sagte Aneta Djanali.
»Gehen Sie weg.«
Es war an der Zeit einen Entschluss zu fassen. Sie konnte hier nicht stehen bleiben und die Situation dadurch vielleicht verschlimmern.
Sie könnte sich den Anblick von Anette Lindstens Gesicht einfach erzwingen. Es könnte übel zugerichtet sein. Die Frau könnte noch neue Verletzungen davontragen, wenn sie sich jetzt nicht Zugang zu ihrer Wohnung verschaffte.
Es könnte das einzig Richtige sein. Die Entscheidung darüber musste jetzt auf der Stelle fAllen. Eine Entscheidung von vielleicht großer Tragweite für die Zukunft.
Aneta Djanali entschied sich, steckte den Ausweis, den sie immer noch in der Hand hielt, weg, gab dem uniformierten Mädchen ein Zeichen, drehte sich um und ging.
Keine der beiden Polizistinnen nahm den Fahrstuhl nach unten. Die Wände des Treppenhauses waren voll geschmiert, tausend hingekritzelte Nachrichten in Schwarz und Rot.
Der Wind hatte zugenommen. Sie hörte die Straßenbahnen am Citytorget. Die massiven Häuser schienen sich auch zu bewegen, sie waren überall, manchmal verdeckten sie auch den Himmel. Das Gebäude auf der Fastlagsgatan schien sich vom einen Ende des Horizonts bis zum anderen zu erstrecken.
Jetzt wurde ein Teil abgerissen, quer über dem Hügel war ein Krater. Häuser, die vor vierzig Jahren gebaut worden waren, wurden abgerissen, und der Himmel wurde wieder sichtbar, wenigstens für eine Weile. Heute war er blau, entsetzlich blau. Ein Septemberhimmel, in dem die ganze Farbe des Sommers gesammelt war. Fertig. Hier bin ich, der nordische Himmel.
Es war warm, eine reifere Wärme, wie akkumuliert.
Brittsommer, dachte sie. In Schweden nennt man ihn Brittsommer, aber ich weiß immer noch nicht, warum. Wie oft hab ich mir schon vorgenommen, das herauszufinden. Das musste etwas mit dem Kalender zu tun haben.
Rein zufällig warf sie einen Blick auf das Straßenschild, wo sie geparkt hatten: Allerheiligenstraße, du lieber Himmel, kreisförmig um den Kortedala Torg fanden sich alle Jahreszeiten versammelt: der Adventspark, die Pfingststraße, die Weihnachtsstraße, Aprilstraße, Junistraße.
Eine Septemberstraße konnte sie nicht entdecken. Sie sah die Dämmerungsstraße, die Morgenstraße.
Hier wird man ja zermahlen von Allen Stunden des Tages und Jahres und aller Zeiten, dachte sie, als sie wegfuhr, in eine andere Zivilisation im Süden. Es war ein Gefühl, als überschreite sie Grenzen.
Auf dem Citytorget spielten Kinder, die sprachen Arabisch. Frauen mit bedeckten Haaren kamen aus dem Lebensmittelladen. An der Ecke war eine Spielhalle, in der auch Gemüse verkauft wurde. Gegenüber lag ein Blumengeschäft. Die Sonne warf Schatten, die den Platz in einen schwarzen und einen weißen Teil trennten.
»Ist dir Anette Lindsten schon mal begegnet?«, fragte sie die junge Polizistin auf dem Sitz neben sich.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Wer hat sie schon mal gesehen?«
»Du meinst, wer von den
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