Segel der Zeit
Ihr Blick war von gewohnter Offenheit, aber dennoch irgendwie verändert. In ihren Augen stand kein Zorn, nur eine Frage.
Das entlockte ihm ein Lächeln.
Chaison schaute auf Antaea hinab. Ihr Lächeln war voller Bedauern. Sie trat zurück. »Admiral«, murmelte sie. »Ich freue mich, dass ich Sie nach Hause begleiten durfte.«
»Willst du uns denn nicht vorâ¦Â« Venera konnte den Satz nicht beenden, denn Chaison zog sie an sich und küsste sie lange und heftig. Als er loslieÃ, sagte sie nur »Oh«, das war alles.
»Antaea �« Chaison drehte sich suchend um, aber sie war bereits an den Gewehrschützen vorbei, die von der Galerie herabgesprungen kamen, und auf dem Weg zu den Türen. Er wollte ihr nachlaufen, aber was dann? Er war wie gelähmt, und dann hatte er die Gelegenheit verpasst, und sie war verschwunden.
Venera war seinem Blick gefolgt. »Es ist viel geschehen«, bemerkte sie. Es klang fast wie eine Frage.
»Kam der Schuss von dir?« Er deutete mit einem Nicken zu der reglosen Gestalt Adrianos Sempeternas III. hin.
Die alte Venera hätte sich feixend in die Brust geworfen, doch diese Frau betrachtete Slipstreams gestürzten Souverän mit einem Blick, der sehr viel komplexere Gefühle verriet. »Das wird sicherlich zu neuem Ãrger führen«, seufzte sie.
Mit einem Mal waren sie von jubelnden Menschen umringt. Richard Reiss trat vor und schüttelte Chaison die Hand. »Kapitaler Plan, mein Alter. Alles hat reibungslos geklappt.«
»Ich wusste nicht, ob alle meine Nachrichten erhalten hatten«, wehrte Chaison ab. »Und überhaupt â¦Â« Er blinzelte in die neue Sonne, mit der niemand gerechnet
hatte, und die nun staubige Lichtstreifen durch die ganze Halle warf. » Das hatte ich nicht geplant.«
»Aber wir.« Ein Mann mit Brille und dichter weiÃer Mähne tastete sich vorsichtig durch den Schutt. Hinter ihm sammelte sich eine groÃe und ständig wachsende Menge aus Männern und Frauen in gewöhnlicher StraÃenkleidung. Immer neue Schaulustige strömten durch die aufgebrochenen Türen am Ende des Saales.
Der weiÃhaarige Mann streckte Chaison die Hand hin. »Martin Shambles, ehemals Bürger von Aerie. Das da drauÃen ist unsere Sonne«, sagte er. »Freundlicherweise für uns gebaut von einem Ihrer Freunde, Admiral. Einem gewissen jungen Flieger, der einmal im Dienst Ihrer Frau stand.«
Chaison blinzelte überrascht. »Doch wohl nicht ⦠Hayden Griffin?«
»Er schickt GrüÃe aus Aeries neuem Territorium, das mit dem Licht unserer neuen Sonne aus dem Winter gewonnen wurde.« Shambles wandte sich Venera zu. »Wie ich höre, sind Sie die eigentliche Triebfeder hinter all diesen Ereignissen. Amandera Thrace-Guiles, wenn ich mich nicht irre?«
Venera nickte ernst. »Das ist einer meiner Namen.«
Shambles bewegte rasch den Kopf auf und ab. »Natürlich, natürlich. Sie haben doch das Gerücht verbreitet, Fanning sei noch am Leben â und befinde sich auf dem Heimweg. Sie haben Propagandamaterial gedruckt, die Unzufriedenen mit Geldmitteln versorgt â¦Â« Er verstummte und sah sie besorgt an. »Sie haben die öffentliche Meinung manipuliert. Weil Sie einen groÃen Coup landen wollten.«
»Natürlich«, schnaubte sie. »Und wenn schon?«
»Aber der Wille des Volkes â¦Â«
»War von jeher mein Wille« gab sie mit überlegenem Lächeln zurück.
Shambles machte ein langes Gesicht. »Und was nun? Der Pilot ist tot.« Er sah Chaison scharf an. »Lang lebe der Pilot?«
Venera nahm den Arm ihres Mannes. »Ich finde, das hört sich groÃartig an.«
Chaison war die ganze Zeit so sehr damit beschäftigt gewesen, am Leben zu bleiben, dass er an diese Möglichkeit noch gar nicht gedacht hatte. Nun wälzte er sie im Geiste hin und her. Pilot zu sein, der Traum jedes Jungen; in diesem Palast zu regieren, nicht nur als Admiral, sondern als souveräner Herrscher â¦
Er malte sich die Gesichter der Menschen aus, die als Bittsteller vor dieses Podest traten â und seltsamerweise trat dabei ein Gesicht ganz besonders hervor â Corbus. Was hätte der ehemalige Atlas zu dieser Wendung gesagt? Er hätte verächtlich genickt und sich abgewandt. Sogar Antaea hatte Chaison vorgeworfen, er sei nur ein Aristokrat wie alle anderen und hätte den Kontakt zum Volk verloren.
Je
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