Segel der Zeit
Kestrel und seinen Schlägern hatte erst geendet, als ihnen Songly unter den FüÃen wegbrach. Darius und Richard waren von den Bullen getrennt worden und hatten es nur mit knapper Not auf eines der Boote geschafft.
Die bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Riggern, Bootsführern und Arbeitern hatte mit ihren Blumenschiffen im letzten Moment abgelegt, bevor sich Songly in seine Bestandteile auflöste. Gebäude und StraÃen, Seile und Häuser waren nach allen Seiten davongetrudelt, einige Teile waren mit riesigen Wassertropfen zusammengestoÃen, die daraufhin zu Regenschauern zerplatzten. Als die schwarzen Wassermauern näher rückten, warfen sich die Bootsführer gegenseitig Leinen zu und banden sich aneinander. Dariusâ Boot drehte sich wie ein Mobile im Wind. Im Rumpf drängten sich Frauen, Kinder und Alte ängstlich aneinander; er selbst hatte sich an einen Belegnagel gebunden und mit angesehen, wie die Wassermassen eines der Seile kappten und sie von den anderen trennten.
»Rudert, verdammt«, schrie der Bootsführer über das Krachen der kollidierenden Wasserberge hinweg. Darius stemmte sich mit dem Rücken gegen die gewölbte Innenwand und bewegte zusammen mit drei anderen Männern ein Ruder. Er spürte, wie das groÃe Ruderblatt auf das Wasser klatschte, es zurückdrängte und das Boot in ein schwarzes Loch mit halbwegs freier Luft manövrierte. Vier weitere, noch durch Seile verbundene Boote folgten. Es war nur ein winziger Bruchteil der Habitatbevölkerung, aber es gab schlieÃlich
viele andere Fluchtwege. Darius war, wie er Chaison erklärte, »ziemlich sicher, dass die meisten Leute rausgekommen sind«.
Im Schein von Blitzen, die von der Flut zu bläulichen und grünlichen Scherben gebrochen wurden, sahen sie eine lange, gewundene Höhle vor sich. Die Boote jagten weiter, versuchten verzweifelt, dem Wasser zu entkommen. Darius drückte gegen das Ruder, bis ihn die Beine schmerzten und der Rücken wundgerieben war. Endlich fanden sie, mehr durch Zufall als durch das Geschick ihrer Führer, eine Lücke in der Flut und schossen hinaus ins Freie.
Sie hingen zwischen Wolkenbänken, die Ruderer waren erschöpft, niemand sprach ein Wort. Dann holten die Matrosen auf allen fünf Schiffen immer noch schweigend die Seile ein, und die Boote schwebten zueinander.
Vier von den fünf Blumenbooten quollen über von Habitatbewohnern. Das fünfte war nahezu leer bis auf ein Dutzend Geheimpolizisten â und Kestrel. Die Polizisten hatten nicht nur alle Männer und Frauen hinausgestoÃen, die dort Zuflucht gesucht hatten, sie hatten auch in der vergangenen Stunde kein Ruder angefasst, sondern die Arbeit den anderen Booten überlassen. Nun brachten sie mit vorgehaltenen Schusswaffen und gezückten Schwertern die müden, verstörten Menschen, die sie gerettet hatten, in ihre Gewalt.
»Natürlich entdeckten sie Richard und mich sofort.« Darius steuerte den Katamaran um eine quallenförmige Wolke herum. »Da wir genügend Seile hatten, befahl Kestrel, uns zu fesseln. Dann fingen sie an, alle herumzukommandieren. Kestrel gefiel wohl nicht besonders,
was seine Kumpane da trieben, aber er unternahm auch nichts, um sie daran zu hindern.«
»Er war ein Fremder.« Chaison zuckte die Achseln. »Was hätte er schon tun können?«
»Er hätte etwas sagen können.« Darius starrte finster auf die Steuerkugel nieder. »Wie auch immer, wir mussten wieder an die Ruder. Sie wollten zu den inneren Städten, wo sie vor den Gretel sicher wären.«
Jetzt grinste er. »Aber die Gretel waren schneller.«
Als es Abend wurde, füllte sich der Himmel mit Schiffen. Die Invasionstruppe der Gretel war riesig, eine Flotte, die mühelos ganz Slipstream hätte erobern können, wenn sie das gewollt hätte. Die Schiffe waren natürlich bizarr wie alles, was den Gretel gehörte â reich verziert, mit bunten Fahnen geschmückt und mit Szenen aus den alten Märchen bemalt, die den Gretel helfen sollten, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Ein eiserner Kreuzer mit Bildern halbmythischer Wesen, die man Bären nannte, drehte bei und verlangte, dass sich die Blumenboote ergäben. Keiner der Schläger wollte sich mit dem Koloss anlegen.
»Sie hatten sich ein umfassendes Bild gemacht, bevor sie uns hinaufzogen.« Darius lächelte in der Erinnerung. Der Kapitän war durchaus
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