Segeln im Sonnenwind
zu bezahlen, aber warum nicht schon vorher? Wie hat die enorm gestiegene Produktivität nur zur Verarmung der Familien geführt?
Andere schieben hohen Steuern die Schuld zu. Das klingt schon vernünftiger. Ich erinnere mich noch an meinen Schock, als der Staat in einem Jahr eine Billion Dollar abkassierte. (Zum Glück vergeudete er das meiste davon.)
Anscheinend fand ein regelrechter Niedergang rationalen Denkens statt. In den Vereinigten Staaten hielt man Entertainer und Berufssportler allmählich für wichtige Leute, die vergöttert und als Leitfiguren betrachtet werden mußten. Man fragte sie in allen Dingen nach ihrer Meinung, und sie nahmen sich selbst entsprechend ernst. Wenn ein Sportler eine Million oder mehr im Jahr verdient, glaubt er eben, daß er wichtig ist und daß auch seine Meinungen zu Außen- und Innenpolitik wichtig sein müssen, selbst dann, wenn er sich mit allem, was er sagt, als absolut ungebildet erweist. (Die meisten seiner Fans waren schließlich nicht weniger ungebildet; die Krankheit breitete sich aus.)
Die drei Verfallsumstände »Brot und Spiele«, Abschaffung des Offenbarungseides in Franklin Roosevelts erster Amtszeit sowie die Versetzung nach Alterskohorten in öffentlichen Schulen überlagerten sich gegenseitig. Die Abschaffung des Offenbarungseides als Vorbedingung für den Bezug von Sozialleistungen führte dazu, daß Versager und Unfähige, Leute, die ihren Lebensunterhalt nicht verdienen konnten, und Leute, die es auch gar nicht wollten, alle gleichermaßen dasselbe Mitwirkungsrecht bei der Festlegung und der Investierung von Steuergeldern genossen wie beispielsweise Thomas Edison oder Thomas Jefferson, Andrew Carnegie oder Andrew Jackson. Auch die kohortenweise Versetzung eines Jahrgangs in der Schule garantierte, daß das Wahlrecht zur Beute der Dummen und Unfähigen wurde. »Brot und Spiele« besiegeln schließlich das Schicksal jeder Demokratie, die diesen Weg einschlägt: Schrankenlose Sozialausgaben führen zum Bankrott des Staates, dieser wiederum nach den unerbittlichen Gesetzen der Geschichte zur Diktatur.
Mir will scheinen, daß diese drei Kardinalfehler die beste Kultur zerstörten, die es in allen bekannten Geschichtsläufen bis dahin gegeben hatte. Sicher, man kann noch weitere Faktoren nennen – Streiks im öffentlichen Dienst beispielsweise. Als sie zum Problem wurden, lebte mein Vater noch, und er sagte grimmig dazu:
»Es gibt eine einfache Lösung für jeden im öffentlichen Dienst Beschäftigten, der findet, daß er nicht gut genug bezahlt wird – er kann kündigen und fortan für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Das gilt gleichermaßen für Kongreßabgeordnete, Empfänger von Sozialleistungen, Lehrer, Generäle, Müllmänner und Richter.«
Und natürlich lag das gesamte zwanzigste Jahrhundert von 1917 an im bösartigen Schatten des Marxismus.
Die Marxisten hätten jedoch niemals viel Einfluß gewinnen können, hätte das amerikanische Volk nicht zunehmend den soliden, gesunden Menschenverstand verloren, mit dem es einst einen ganzen Kontinent erobert hatte. In den sechziger Jahren war es dann so weit, daß jeder nur noch von seinen Rechten sprach, niemand mehr von seinen Pflichten – und Patriotismus als Thema für Witze gehandelt wurde.
Ich glaube nicht, daß Marx oder dieser verrückte Erweckungsprediger, der später zum »Ersten Propheten« ernannt wurde, jemals viel Einfluß hätte gewinnen können, wäre das Volk nicht zuerst weich in der Birne geworden.
»Aber jeder Mensch hat ein Recht auf die eigene Meinung!«
Vielleicht. Ganz sicher aber hatte jeder eine Meinung zu allem und jedem, egal, wie dumm sie auch sein mochte.
Besonders in zwei Bereichen betrachteten die weitaus meisten Menschen ihre jeweilige Meinung als die »Absolute Wahrheit« und hielten jeden, der mit ihnen nicht einig war, für unmoralisch, unverschämt, sündig, gottes-lästerlich, beleidigend, unerträglich, dumm, unlogisch, verräterisch, verfolgbar, für einen Gegner der Allgemeinheit, für lächerlich und obszön.
Diese beiden Bereiche waren (natürlich) Sex und Religion.
Zu Sex und Religion kannte jeder einzelne Amerikaner die »Einzig Richtige Antwort«, und zwar durch direkte Offenbarung Gottes.
In Anbetracht der enormen Vielfalt dieser Meinungen mußten die meisten wohl notwendigerweise falsch sein, aber bei diesen beiden Themen konnte man niemandem mit Vernunft kommen.
»Aber du mußt die Religion anderer Menschen respektieren?« Um Himmels willen! Wieso denn?
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