Segeln im Sonnenwind
Lebensmittelindustrie haben werden – mit frischer Nahrung, abgepackten Mahlzeiten, Dosenfutter, Spezialgeschäften oder Spezialabteilungen in Geschäften sowie Werbung auf landesweiter Basis. Ein Riesengeschäft! Millionen Dollar Umsatz. Sogar Hunderte von Millionen.«
»Bist du sicher, daß das kein Witz sein sollte? Nelson macht einfach über alles Witze!«
»In diesem Fall nicht, glaube ich. Er gab sich ganz ernst und untermauerte seine Behauptung auch mit Zahlen. Du hast selbst miterlebt, wie benzingetriebene Maschinen die Pferde ersetzt haben, nicht nur in der Stadt, sondern auch in der Landwirtschaft – langsam, aber von Jahr zu Jahr fortschreitend. Also haben wir eine Menge Pferde, die nicht mehr gebraucht werden. Nelson meint, wir brauchten uns darüber keine Gedanken zu machen; die Katzen würden sie schon fressen.«
»Was für ein entsetzlicher Gedanke!«
Auf Brians Zureden hin tüftelte ich eine Schautafel aus, die mir den Anstieg der Lebensmittelpreise zeigte. Glücklicherweise führte ich seit dreizehn Jahren präzise Buch über das, was ich für Nahrung ausgegeben hatte, für welche Produkte im einzelnen und wieviel pro Viertelscheffel, pro Pfund, pro Dutzend usw. Briney hatte mich zwar nie dazu aufgefordert, aber ich war einfach dem Vorbild meiner Mutter gefolgt, und in all den Jahren der Pfennigfuchserei war es eine große Hilfe gewesen, genau zu wissen, was ich an Lebensmitteln für jeden ausgegebenen Cent bekommen hatte.
Ich erstellte also die Schautafel und errechnete dann die »Jahresration« einer Person, ganz so, als hätte ich eine Armee zu füttern… so und so viele Unzen Mehl, so viele Unzen Butter, Zucker, Fleisch, frisches Gemüse, frisches Obst. Kaum Dosennahrung, da ich schon früh gelernt hatte, daß die einzig wirklich wirtschaftliche Methode, mir Konserven zuzulegen, darin bestand, sie selbst anzufertigen.
Schließlich zeichnete ich eine Kurve, die die Kostenentwicklung einer Jahreserwachsenenration von 1899 bis 1913 zeigte.
Es war eine ziemlich gleichmäßige Kurve, die stetig aufwärts verlief und sich dabei nach oben krümmte. Sie wies geringfügige Schwankungen auf, war aber insgesamt ein gleichmäßiger Graph ersten Grades.
Ich betrachtete ihn und geriet in Versuchung. Ich holte mir das alte Buch über analytische Geometrie, das ich auf der Thebes High School benutzt hatte, maß ein paar Koordinaten, Abszissen und Richtungskoeffizienten nach und bastelte aus den Zahlen die Gleichung zusammen.
Ich glotzte sie an und fragte mich, ob ich hier tatsächlich eine Formel hatte, mit der ich Lebensmittelpreise vorhersagen konnte. Etwas, worauf sich die Eierköpfe mit ihren Doktortiteln und hochdotierten Lehrstühlen nicht einigen konnten.
Nein, nein, Maureen! Da ist noch keine Mißernte berücksichtigt, kein Krieg, keine größere Katastrophe. Nicht genug Fakten. »Zahlen lügen nicht, aber Lügner werfen mit Zahlen um sich.« »Es gibt Lügen, faustdicke Lügen und Statistiken.« Nicht zuviel Suppe aus einer Auster kochen!
Ich verstaute das Ergebnis meiner Analysis dort, wo es niemand finden konnte, behielt aber die Schautafel. Zwar benutzte ich sie nicht für Prognosen, aber ich aktualisierte sie ständig und konnte damit Briney immer exakt angeben, wann ich mehr Haushaltsgeld benötigte, anstatt zu warten, bis wieder eine »Pfannkuchensituation« eintrat. Ich zögerte mit dieser Bitte nicht mehr, da Brian Smith & Co. inzwischen ein prosperierendes Unternehmen war.
Inzwischen war ich nicht mehr Sekretärin und Buchhalterin unserer Familienfirma. Dieses Amt hatte ich abgegeben, als Nelson, Betty Lou und das Firmenbüro zwei Jahre vorher ausgezogen waren. Es hatte keine Spannungen gegeben, nicht im mindesten, und ich hatte sie gedrängt zu bleiben. Nelson und Betty Lou wollten allerdings ein eigenes Heim haben, und ich verstand das. Brian Smith & Co. bezog ein Büro nahe der Einunddreißigsten und Paseo, im ersten Stock über einem Herrenausstatter, nicht weit von der Troost Avenue Bank und der Southside-Postaußenstelle. Es war eine gute Lage für ein Büro, wenn man es schon nicht im Finanzbezirk in der Innenstadt hatte. Die Familie Nelson Johnson bezog ihr erstes Heim nicht ganz hundert Meter südlich davon an einer Nebenstraße, am South Paseo Place.
Was bedeutete, daß Betty Lou die Akten führen, die Bankgeschäfte erledigen und zur Post gehen konnte, ohne die Fürsorge für ihre zwei Kinder zu vernachlässigen. Das Hinterzimmer der Firmen-»Luxussuite« wurde in
Weitere Kostenlose Bücher