Segeln im Sonnenwind
langen Krieg. Den Rest kannst du dir ausmalen.«
»Du meinst, wir werden hineingezogen?«
»Sei ein Pessimist, dann wirst du dich kaum jemals irren. Brian, ich weiß wenig bis gar nichts von deinen Geschäften, aber es wird in allen Branchen Zeit, sich eine Grundlage für den Krieg zu schaffen. Welche der Dinge, mit denen du dich befaßt, würden in einem Krieg zwangsläufig relevant?«
Briney schwieg eine Zeitlang. »Alle Metalle sind kriegswichtige Materialien. Aber… Beau-père, wenn du Geld hast, das du riskieren möchtest, dann möchte ich dich darauf hinweisen, daß Quecksilber unverzichtbar für Munition ist. Und selten. Meist stammt es aus Spanien, aus Almaden.«
»Woher sonst?«
»Aus Kalifornien, teilweise auch Texas. Willst du nach Kalifornien?«
»Nein. Bin schon dort gewesen. Nicht mein Fall. Ich glaube, ich gehe jetzt lieber in meine Bude zurück und schreibe einen Brief an Leonard Wood. Verdammt, er hat den Wechsel vom Sanitätskorps zum Truppenoffizier geschafft! Er müßte mir eigentlich sagen können, wie ich das auch hinbekomme.«
Briney schaute nachdenklich drein. »Ich möchte auch nicht wieder zu den Pionieren. Da gehöre ich einfach nicht hin.«
»Du wirst aber wieder Soldat mit Hacke und Schaufel, wenn du einfach abwartest und hier in Dienst trittst.«
»Wie das?«
»Das alte Dritte Missouri wird zum Pionierregiment umorganisiert. Warte nur lange genug, und sie drücken dir eine Schippe in die Hand.«
Ich schauspielerte nach besten Kräften ein unbesorgtes Gesicht und strickte weiter, aber ich fühlte mich wieder wie gegen Ende April 1898.
Der grausige Krieg in Europa schleppte sich dahin, begleitet von Geschichten über Greueltaten in Belgien und über Schiffe, die von deutschen U-Booten versenkt wurden. Man konnte richtig spüren, wie sich Amerika in zwei Lager spaltete; die Versenkung der Lusitania im Mai 1915 warf ein krasses Schlaglicht auf diese Spaltung. Mutter schrieb aus St. Louis, wie stark dort die Gefühle für die Mittelmächte waren. Ihre Eltern, Opa und Oma Pfeiffer, hielten es anscheinend für selbstverständlich, daß alle anständigen Leute in diesem Konflikt Partei für das »alte Vaterland« ergriffen – trotz der Tatsache, daß Großvaters Eltern 1848 nach Amerika gekommen waren, um dem preußischen Imperialismus zu entfliehen – zusammen mit dem Sohn, der gerade im richtigen Alter (geboren 1830) gewesen war, um eingezogen zu werden.
Jetzt hieß es allerdings » Deutschland über alles «, und alle wußten ja, daß Frankreich den Juden gehörte und daß diese amerikanischen Passagiere nicht an Bord der Lusitania hätten zu sein brauchen, wenn sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert und zu Hause, außerhalb des Kriegsgebietes, geblieben wären – schließlich hatte der Kaiser sie gewarnt. Sie waren es selbst schuld.
Mein Bruder Edward meldete aus Chicago die gleiche Stimmung. Er hörte sich zwar selbst nicht prodeutsch an, brachte jedoch seine inbrünstige Hoffnung zum Ausdruck, daß wir uns aus einem Krieg heraushalten würden, der uns nichts anginge.
Bei uns zu Hause klang alles ganz anders. Als Präsident Wilson seine berühmte (berüchtigte?) Rede über die Versenkung der Lusitania hielt – »zu stolz, um zu kämpfen« –, kam Vater herüber, um sich mit Brian zu unterhalten, und er saß kochend wie ein Vulkan da, bis sämtliche Kinder entweder im Bett oder sonstwie außer Hörweite waren. Dann benutzte er Ausdrücke, die ich nicht zu hören vorgab. Er spielte überwiegend auf die feige Taktik der Hunnen an, sparte aber auch einen ansehnlichen Teil für diesen »unbeherzten Presbyterianer« im Weißen Haus auf. ›»Zu stolz, um zu kämpfen‹! Was soll das denn bedeuten? Man braucht Stolz, um zu kämpfen, während Feiglinge sich mit eingezogenem Schwanz verdrücken! Brian, wir brauchen Teddy Roosevelt!«
Mein Gatte pflichtete ihm bei.
Im Frühling 1916 fuhr Briney nach Plattsburg, New York, wo General Leonard Woods im vorigen Sommer ein Bürgerausbildungslager für Offiziersanwärter eingerichtet hatte. Zu seiner großen Enttäuschung hatte Brian 1915 noch nicht daran teilnehmen können und schon vorausgeplant, um es im Jahr darauf ja nicht wieder zu verpassen. Während seiner Abwesenheit kam durch einige sorgfältige Planungen meinerseits Ethel zur Welt. Als Brian Ende August zurückkehrte, hatte ich zu Hause alles wieder richtig in Schwung und war bereit, ihn im alten Stil zu begrüßen. »Mrs. Gillyhooley« tat ihr Bestes, um mehr
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