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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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eine Kindertageskrippe umgewandelt.
    Und ich war trotzdem nur zwanzig Minuten entfernt und konnte notfalls aushelfen – mit der Straßenbahn direkt die Einunddreißigste hinunter, mit guten Gegenden an beiden Haltestellen, wo ich mich selbst nach Einbruch der Dunkelheit nicht zu fürchten brauchte.
    Dieses Arrangement behielten wir bis 1915 bei, als Brian und Nelson ein junges Küken frisch von Spauldings Commercial College anstellten, eine gewisse Anita Boles. Betty Lou und ich behielten jedoch weiterhin die Bücher im Auge, und eine von uns hütete stets das Büro, wenn die beiden Männer nicht in der Stadt waren, da dieses Kind immer noch an den Weihnachtsmann glaubte. Ihre Tipperei war jedoch flink und präzise. (Wir hatten inzwischen eine neue Remington-Schreibmaschine. Die alte Oliver behielt ich zu Hause, eine treue Freundin, wenn auch inzwischen etwas altersschwach.)
    Somit blieb ich weiterhin über unsere finanzielle Lage auf dem laufenden. Sie war gut und wurde ständig besser. In den Jahren 1906–1913 hatte Brian mehrfach Gewinnanteile anstelle der festen Gebühr akzeptiert; fünf dieser Unternehmen warfen inzwischen Gewinn ab, drei sogar einen ganz ordentlichen – eine neu eröffnete Zinkmine bei Joplin, eine Silbermine bei Denver und eine Goldmine in Montana. Briney war zynisch genug, unter der Hand ein paar Leute zu bezahlen, um sowohl die Silber- als auch die Goldmine scharf im Auge zu behalten. Einmal sagte er zu mir: »Man kann Betrügereien einfach nicht verhindern. Selbst deine liebe alte Großmutter könnte in Versuchung geraten, wenn das Erz irgendwo so dick herumliegt, daß man es einfach nur hochzuheben braucht, um zu wissen, daß man fündig geworden ist. Man kann es den Betrügern jedoch immerhin schwierig machen, indem man zur rechten Zeit hier und da ein wenig Geld investiert.«
    Ab 1911 flossen die Einnahmen ganz ordentlich, aber ich hatte keine Ahnung, wohin das meiste davon ging – und ich wollte Briney nicht fragen. Das Geld kam und erschien in den Büchern; Nelson zog einen Teil heraus, Brian einen größeren. Ein Teil davon landete bei mir und Betty Lou für den Haushalt, womit jedoch keineswegs für die ganze Summe Rechenschaft abgelegt war. Das Firmenscheckkonto unterstützte nur die Buchhaltung und war dazu gedacht, Anitas Gehalt und sonstige Verpflichtungen per Scheck zu begleichen. Der Kontostand wuchs nie auf ein Niveau an, daß es für mehr als diese Dinge gereicht hätte.
    Es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich mehr darüber erfuhr.
    Am 28. Juni 1914 wurde der Thronerbe der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie in Sarajevo, Serbien*, ermordet. Es handelte sich um Erzherzog Franz Ferdinand, ein ansonsten nutzloses Stück königlichen Adels. Bis zum heutigen Tage begreife ich einfach nicht, wie dieser Vorfall Deutschland dazu veranlassen konnte, einen Monat später in Belgien einzumarschieren. Ich las damals alle Zeitungen gründlich; ich habe sämtliche Bücher zum Thema studiert, die ich seitdem in die Finger bekommen hatte, und kapiere es immer noch nicht. Reine Torheit. Ich kann ja noch einsehen – wenn ich meine Logik arg strapaziere –, warum der Kaiser seinen Vetter ersten Grades in St. Petersburg angriff – ein Netzwerk selbstmörderischer Allianzen.
    Aber wieso Belgien?
    Ja, ja, um Frankreich am Wickel zu packen. Aber wieso das wiederum? Warum solche Handstände, nur um einen Zwei-Fronten-Krieg zu führen? Und warum durch Einbezug Belgiens, wenn das doch das sicherste Mittel war, um die eine Nation auf der ganzen Welt in den Krieg zu ziehen, deren Marine groß genug war, um der Deutschen Hochseeflotte den Zugang zu den Weltmeeren zu versperren?
    * Möglicherweise ein Irrtum des Autors, falls es kein Sonderfall seiner ›Zeitlinie zwei‹ ist. Auf unserer ›Zeitlinie drei‹ war Sarajevo bis 1878 osmanisch und dann bis nach dem 1. Weltkrieg österreichisch/ungarisch. Anm. d. Übers.
    Ich hörte am 4. August 1914 zu, wie Vater und mein Gatte sich über diese Dinge unterhielten. Vater war zum Abendessen herübergekommen, aber es wurde kein fröhlicher Abend. Es war der Tag der Invasion Belgiens, und auf den Straßen hatte es Extrablätter dazu gegeben.
    » Beau-père, was hältst du davon?« fragte Brian.
    Vater ließ sich mit der Antwort Zeit. »Wenn die Deutschen Frankreich in zwei Wochen erobern, hält Großbritannien sich raus.«
    »Und?«
    »Deutschland schafft einen so schnellen Sieg niemals. Also rücken die Engländer an, und es gibt einen langen,

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