Sehen Sie, so stirbt man also
beschrieben und nebst einigen andern Bemerkungen über denselben mitgetheilt, in: Journal der practischen Heilkunde 76 (1833), S. 18
Alternativ: „Frauenzimmerchen, gib mir dein Pfötchen!“
Der größte aller deutschen Dichter, so wird Goethe oft und gerne tituliert. Diesen Status hatte der Verfasser von „Faust“ und „Werther“ bereits, als er im hohen Alter starb; was der Grund dafür sein dürfte, dass seine letzten Worte bekannter wurden als die irgendeines anderen – auch wenn sie in dieser Form gar nicht authentisch sind.
Wie starb er?
Im Jahre 1823, er war bereits 73, erkrankte Goethe an einer Herzbeutelentzündung. Doch allen Befürchtungen zum Trotz genas er wieder. Auch wenn er nun auf weite Reisen verzichtete, flüchtete er sich in die Arbeit und schien produktiver denn je. Er stellte „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ fertig, überarbeitete den „West-östlichen Divan“ und arbeitete seinen „Faust“-Stoff weiter aus, zur „Tragödie zweiter Teil“. Der „Faust II“ durfte allerdings, so bestimmte er, erst nach seinem Tod veröffentlicht werden.
Immer noch empfing er in seinem Haus Gäste, veranstaltete Gesprächsrunden und Feste. Viele seiner Freunde und Bekannten starben in dieser Zeit, so auch sein Sohn August im Jahre 1830. Vielleicht wollte Goethe sich durch seine vielen Aktivitäten und seine literarische Produktion von diesem Umstand ablenken wie von der Tatsache, dass ihm selbst früher oder später |45| das Ende drohte. Er wandelte sogar noch einmal auf Freiersfüßen (seine Frau Christiane war 1816 gestorben), indem er um die Hand der 19-Jährigen Ulrike von Levetzow anhielt. Sie gab dem alten Mann jedoch einen Korb. Und er empfing den bayerischen König Ludwig, der ihm den Bayerischen Verdienstorden überreichte.
Am 22. März 1832 erlitt Goethe einen Herzinfarkt und starb. Am Tag danach traf Johann Peter Eckermann im Haus Goethes ein, er wollte den treuen Freund noch einmal sehen. Seine letzte Erinnerung an ihn zeugt von tiefer Zuneigung und Ehrfurcht: „Auf dem Rücken ausgestreckt, ruhte er wie ein Schlafender; tiefer Friede und Festigkeit waltete auf den Zügen seines erhaben-edlen Gesichts. Die mächtige Stirn schien noch Gedanken zu hegen. Ich hatte das Verlangen nach einer Locke von seinen Haaren, doch die Ehrfurcht verhinderte mich, sie ihm abzuschneiden. Der Körper lag nackend in ein weißes Bettuch gehüllet […], und ich erstaunte über die göttliche Pracht dieser Glieder. Die Brust überaus mächtig, breit und gewölbt; Arme und Schenkel voll und sanft muskulös; die Füße zierlich und von der reinsten Form; und nirgends am ganzen Körper eine Spur von Fettigkeit, oder |46| Abmagerung und Verfall. Ein vollkommener Mensch lag in großer Schönheit vor mir.“ Seine letzte Ruhestätte fand Goethe in der Fürstengruft auf dem Friedhof zu Weimar.
Todesahnungen? Goethe im Thüringer Wald
Bei Ilmenau im Thüringer Wald verfasste Goethe 1780 eines seiner berühmtesten Gedichte:
Ein Gleiches
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
Die Verse kritzelte er an die Wand einer kleinen Jagdhütte auf dem Berg Kickelhahn. Sie gehören thematisch zu Goethes Gedicht „Wandrers Nachtlied“, deshalb der Titel „Ein Gleiches“ bedeutet schlicht ein weiteres „Wandrers Nachtlied“.
Ein Dreivierteljahr bevor Goethe im März 1832 starb, besuchte er eben diese Hütte im Wald noch einmal. Er las sich die Zeilen, die er über 50 Jahre zuvor dort an die Wand geschrieben hatte, laut vor, wie es heißt. Vielleicht ahnte er, dass die Verse nur allzu bald für ihn wahr werden würden.
Die letzten Worte
„Mehr Licht!“, dies ist das wohl bekannteste letzte Wort eines berühmten Menschen im deutschen Sprachraum. Es geht auf den Bericht von Goethes Arzt, Dr. Carl Vogel, seines Zeichens großherzoglich sächsischer Hofrat und Leibarzt zu Weimar, zurück. In einem Artikel im „Journal der practischen Heilkunde“ schreibt er 1833: „Die Sprache wurde immer mühsamer und undeutlicher. ‚Mehr Licht‘ sollen, während ich das Sterbezimmer auf einen Moment verlassen hatte, die letzten Worte des Mannes gewesen seyn, dem Finsterniss in jeder Beziehung stets verhasst war.“
Hier gibt Vogel diesem Abschiedswort gleich die Konnotation und Interpretation, die ihm seit jeher anhaftet: „Mehr Licht“ – nicht nur das Licht, das das dunkle Sterbezimmer
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