Sehen Sie, so stirbt man also
den 1. Preis in einem Wettbewerb des Bostoner „Saturday Visitor“ mit der Kurzgeschichte „MS. Found in a Bottle“. In Baltimore heiratete er im September 1835 seine Cousine Virginia. Sie war erst 13 Jahre alt, in den Heiratspapieren wurde ihr Alter mit 21 angegeben. Ob die beiden überhaupt eine körperliche Beziehung hatten, ist nicht sicher – vielleicht war sie mehr wie eine Schwester für ihn; immerhin nannte er sie Sissy und half ihr bei den Hausaufgaben.
Nach und nach etablierte sich Poe als Schriftsteller. Beeinflusst von der Romantik, wurde er selbst zum Protagonisten der phantastischen Literatur und zum Meister des Horror- und Mystery-Genres. Geschichten wie „The Tell-Tale Heart“, „The Fall of the House of Usher“, „The Pit and the Pendulum“ und „The Masque of the Red Death“ gehören heute fest zum Kanon der amerikanischen Literatur und sind in den USA sogar Schullektüre geworden. Zudem schrieb er mit der stilbildenden Kurzgeschichte „The Murders in the Rue Morgue“ (1941) die erste moderne Kriminal- bzw. Detektivgeschichte. Währenddessen arbeitete er für verschiedene Zeitungen und Magazine, u. a. als Literaturkritiker, und brachte mit „The Philosophy of Composition“ im Jahre 1946 den ersten modernen Beitrag zur Literaturtheorie heraus. Dennoch konnte er von keiner dieser Tätigkeiten wirklich leben. Die finanziell erfolgreichste Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten war ein Fachbuch über Weichtiere („The Conchologist’s First Book“), für das ein Verleger sich Poes Namen „mietete“ (dies führte später zu dem Missverständnis, es handele sich um ein Plagiat Poes).
1842 erkrankte Virginia an Tuberkulose. Es war ein schwerer Schlag für Poe, auch wenn sein persönliches Leid viel von seinem Werk beeinflusst haben mag – so sein düsteres und wohl bekanntestes Gedicht „The Raven“, das heute als erster Lyrik-Beitrag Amerikas zur Weltliteratur gilt. Virginia starb im Januar 1847, und Poe versank in tiefe Depressionen und trank.
Mitte 1849 traf Edgar Allan Poe eine alte Jugendliebe wieder, Elmira Shelton, deren Mann gestorben war. Sie beschlossen kurze Zeit später, zu heiraten. Am 27. September verließ er Richmond, um zu seinem Haus in der Bronx in New York City zu fahren und sich um die Hochzeitsvorbereitungen zu kümmern. Er fuhr dafür zunächst mit dem Schiff von Richmond nach Baltimore, und dort verliert sich seine Spur. Bis er eine Woche später wieder auftauchte: Am 3. Oktober 1849 fand man Poe in Baltimore auf der Straße liegen, vor der Bar Ryan’s Tavern. Er erschien verwirrt und ungepflegt, man glaubte, dass er angetrunken oder krank war.
Poe wurde ins Baltimorer Washington University Hospital gebracht, wo ein Arzt namens Dr. Moran sich seiner annahm. Dieser Arzt fertigte mehrere Berichte an, die den Gesundheitszustand des Schriftstellers und die |52| Umstände seines Todes behandeln. So stellte Moran fest, dass Poe in der Tat nicht betrunken war und dass man ihm seine Kleidung ausgezogen und gegen andere, wesentlich ältere und zerschlissene, ausgetauscht habe. Viele Punkte erschienen dabei mysteriös – so berichtete Moran, Poe habe in der letzten Nacht mehrmals laut „Reynolds“ ausgerufen. Es gelang aber später niemandem, eine Person dieses Namens zu identifizieren, mit der Poe Umgang gehabt hätte. Heute sind die Unterlagen des Krankenhauses von damals nicht mehr erhalten, so dass sich das genaue Geschehen wohl nie feststellen lassen wird. Poe starb im Krankenhaus um fünf Uhr morgens am Sonntag, dem 7. Oktober 1849.
Die letzten Worte
Poes Krankenhausarzt, Dr. Moran, wandte sich bald von der Medizin ab. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verlegte er sich darauf, Vorträge über den Tod des mittlerweile berühmt gewordenen Literaten zu halten. Gegen Ende seiner Zeit als Vortragsreisender veröffentlichte er auch noch ein Buch zum Thema („A Defence of Edgar Allan Poe – Life, Character and Dying Declarations of the Poet“, Washington 1885). Seine Ausführungen waren über die Jahre immer ausufernder geworden, so dass er mehr Verwirrung stiftete, als dass er Aufklärung betrieb. Dabei sollen seine verschiedenen Hypothesen zu Todesumständen und -ursache nicht nur einander widersprochen haben, sondern auch den Aussagen anderer Zeugen. Er legte dem Schriftsteller außerdem eine Reihe blumig ausgeschmückter poetischer Ausrufe und Monologe in den Mund, immer wieder neue und andere.
So sind auch Poes letzte Worte, auch wenn Dr. Moran
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