Seherin von Kell
zieht ihr euch ein Stück zurück und ankert dort. Wir pfeifen, wenn wir zurückkommen – das übliche Signal.«
»Aye, aye, Käpt'n.«
»Ihr habt das schon mal gemacht, wie ich sehe«, sagte Silk zu Kresca.
»Schon mehrmals.«
»Wenn heute alles gutgeht, sollten wir zwei uns unterhalten. Ich habe einen geschäftlichen Vorschlag, der Euch vielleicht interessiert.«
»Ist das alles, woran du je denkst?« fragte ihn Sammet.
»Eine Gelegenheit, die man nicht beim Schopf faßt, Liselle, entgeht einem für immer«, erwiderte er ein wenig von oben herab.
»Du bist unverbesserlich!«
»Nun, so könnte man wohl sagen.«
Ein ölgetränkter Rupfenlappen in der Klüse dämpfte das Rasseln der Ankerkette, als der schwere Eisenhaken durch das dunkle Wasser sank. Garion spürte mehr, als er es hörte, wie die Fluken des Ankers über die Felsen unter der schweren Dünung scharrten.
»Steigen wir ins Beiboot«, sagte Kresca. »Meine Männer werden uns dann hinunterlassen.« Mit einem entschuldigenden Blick fügte er hinzu: »Ich fürchte allerdings, daß Ihr und Eure Freunde mit dem Pullen helfen müßt. Im Beiboot haben keine Ruderer mehr Platz.«
»Selbstverständlich, Käpt'n.«
»Ich begleite Euch und sorge dafür, daß Ihr sicher an Land kommt.«
»Käpt'n«, sagte Belgarath, »bringt das Schiff ein Stück hinaus, sobald wir auf dem Felsen sind. Wir signalisieren Euch, wenn wir abgeholt werden wollen.«
»In Ordnung.«
»Wenn Ihr bis morgen früh kein Signal gesehen habt, dann fahrt heim, denn wir werden dann nicht mehr zurückkommen.«
Krescas Gesicht war sehr ernst, als er fragte: »Ist Euer Vorhaben auf dem Riff so gefährlich?«
»Wahrscheinlich noch gefährlicher«, antwortete Silk. »Wir haben uns alle sehr bemüht, nicht daran zu denken.«
Es war gespenstisch, über das ölig wirkende dunkle Wasser zu rudern, während sich graue Nebelschwaden aus der schweren Dü-
nung hoben. Garion erinnerte sich plötzlich an die nebelige Nacht in Sthiss Tor, als sie den Schlangenfluß überquerten und sich nur auf den unfehlbaren Richtungssinn des einäugigen Assassinen Issus verlassen konnten. Während er ruderte, fragte sich Garion, was wohl aus Issus geworden war.
Etwa nach jedem zehnten Schlag bedeutete ihnen Käpt'n Kresca, der am Heck am Ruder stand, anzuhalten. Dann legte er den Kopf schief und lauschte der Brandung. »He«, zischte er dem Seemann am Bug zu, der eine Lotleine hielt, »paß aufs Lot auf! Ich will nicht auflaufen. Gib Bescheid, wenn es seichter wird!«
»Aye, aye, Käpt'n.«
Das Beiboot kroch durch Dunkelheit und Nebel zu dem noch un-sichtbaren Strand, wo die Wellen auf dem groben Kies ein merkwürdiges Scharren verursachten, wenn sie die kleineren Kiesel vom Strand hoben, um sie bis an den Rand des Landes zu tragen und sie dann, mit scheinbar melancholischem und bedauerndem Rauschen zurückzubringen, als betrauere die immer hungrige See, daß sie nicht das ganze Land verschlingen und die ganze Welt in einen endlosen Ozean verwandeln könne.
Die dichte Nebelbank im Osten begann sich aufzuhellen, als der Morgen über den dunklen dunstverborgenen Wellen anbrach.
»Noch hundert Meter«, sagte Kresca angespannt.
»Wenn wir ankommen, Käpt'n«, wies ihn Belgarath an, »dann laßt Eure Männer im Beiboot. Es ist ihnen ohnehin nicht gestattet, an Land zu gehen. Es ist besser, wenn sie es gar nicht erst versuchen.
Wir schieben Euch hinaus, sobald wir ausgestiegen sind.«
Kresca schluckte schwer und nickte.
Garion konnte die Brandung nun deutlicher hören, und der unangenehme Algengeruch, der aufstieg, wo See und Land sich trafen, schlug ihm entgegen. Dann, ehe er die dunkle Linie des Strandes durch den Nebel sehen konnte, beruhigte sich die gefährliche Dü-
nung, und das Meer ums Beiboot wurde flach und glatt wie eine Glasscheibe.
»Das ist sehr zuvorkommend von ihnen«, bemerkte Silk.
»Pst!« Sammet drückte einen Finger auf die Lippen. »Ich versuche zu lauschen.«
Der Bug des Beiboots scharrte auf den Strand. Durnik stieg aus und zog es ein Stück höher auf den Kies. Garion und seine Freunde traten ebenfalls in das knöcheltiefe Wasser und wateten an Land.
»Bis morgen, Käpt'n«, verabschiedete sich Garion ruhig, während Toth das Boot zurück ins Wasser schob. »Hoffentlich«, fügte er hinzu.
»Viel Glück, Garion«, wünschte ihm Kresca. »Wenn wir alle wieder an Bord sind, müßt Ihr mir erzählen, worum es hier ging.«
»Bis dahin würde ich es vielleicht gern vergessen«,
Weitere Kostenlose Bücher