Seherin von Kell
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sehr ruhig. Versuch an Faldors Bauernhof zu denken. Das hilft dir offenbar immer, dich zu entspannen.
Wo hast du… begann Garion, unterbrach sich jedoch.
Wo habe ich was?
Schon gut. Die Frage erzürnt dich immer.
Erstaunlich! Du erinnerst dich wahrhaftig an etwas, das ich gesagt habe.
Faldors Hof, Garion! Faldors Hof!
Er gehorchte. Obgleich die Erinnerung im Lauf der Jahre scheinbar verblaßt war, kehrte sie plötzlich vollkommen klar zurück. Er sah das Gehöft, die Ställe und Scheunen, die Küche, die Schmiede und die Eßstube im Erdgeschoß, die Galerie im ersten Stock, wo sich die Schlafkammern befanden, um den Innenhof herum. Er konnte den stählernen Klang von Durniks Hammer aus der Schmiede hören, roch den köstlichen Duft von frischgebackenem Brot aus Tante Pols Küche. Er sah Faldor und den alten Cralto, ja sogar Brill. Er sah Do-roon und Rundorig und schließlich Zubrette – blond und hübsch und kokett. Eine unendliche Ruhe überkam ihn, ähnlich jener, als er vor so langer Zeit in der Gruft des einäugigen Gottes in der Stadt der Ewigen Nacht gestanden hatte.
So ist es besser, lobte die Stimme. Versuche, diesen Zustand zu bewahren. Du wirst in den nächsten Tagen ganz klar denken müssen, und das wäre unmöglich, wenn deine Gedanken ständig umherhasten. Du kannst durchdrehen, wenn alles vorbei ist.
Wenn es mich dann noch gibt.
Hoffen wir es. Dann war die Stimme verschwunden.
Die Posten an des Königs Tür ließen sie ein, und der König ging geradewegs zu einem Schrank, sperrte ihn auf und nahm eine Rolle uralten, knisternden Pergaments heraus. »Sie ist sehr verblichen, fürchten Wir«, sagte er. »Wir haben Uns bemüht, sie vor Licht zu schützen, aber sie ist sehr alt.« Er trat an einen Tisch und rollte die Karte behutsam auf, die Ecken beschwerte er mit Büchern. Wieder verspürte Garion angespannte Erregung und kehrte rasch zu seiner Erinnerung an Faldors Hof zurück, um sich wieder zu beruhigen.
Der König von Perivor deutete. »Hier liegt Perivor. Und hier liegt das Riff von Korim.«
Garion wußte, wenn er zu lange auf diesen schicksalsschwangeren Punkt auf der Karte blickte, würden die fast unbezähmbare Erregung und dieses Triumphgefühl wiederkommen. So sah er nur flüchtig darauf und ließ den Blick über den Rest der Karte schweifen. Die Schreibweise war archaisch. Automatisch suchten seine Augen sein eigenes Reich. ›Ryva‹ stand da. Er fand auch ›Aryndia‹,
›Kherech‹ und ›Tol Nydra‹, ebenfalls ›Draksnya‹ und ›Cthall Mar-guse‹.
»Es ist falsch geschrieben«, bemerkte Zakath. »Der richtige Name ist eigentlich ›Turim‹ Riff.«
Beldin begann zu erklären, aber Garion kannte die Antwort bereits. »Die Dinge ändern sich«, sagte der Zwerg, »auch die Weise, wie man gewisse Worte ausspricht. Die Laute wandeln sich im Lauf der Jahrhunderte. Der Name dieses Riffs hat sich wahrscheinlich in den vergangenen Jahrtausenden mehrmals geändert. Das ist eine allgemein bekannte Tatsache. Würde Belgarath jetzt im Dialekt der Ortschaft reden, in der er aufwuchs, könnte ihn gewiß keiner von uns verstehen. Ich nehme an, daß man das Riff eine Zeitlang Torim oder so ähnlich nannte und daß schließlich Turim daraus wurde, das kann sich noch weiter verändern. Ich habe Studien in dieser Richtung betrieben. Ihr müßt wissen, es trägt sich folgendermaßen zu…«
»Würdest du wieder zur Sache kommen?« fragte Belgarath verärgert.
»Bist du denn an Weiterbildung nicht interessiert?«
»Nicht momentan, nein.«
Beldin seufzte. »Also es ist so«, fuhr er fort, »Mit der Schrift legen wir lediglich den Laut eines Wortes nieder. Verändert sich dieser Laut, ändert sich auch die Schreibweise des Wortes. Der Unterschied ist leicht erklärbar.«
»Eure Darlegung war überzeugend, liebenswerter Beldin«, sagte Cyradis, »doch in diesem besonderen Fall wurde die Veränderung des Lautes willkürlich herbeigeführt.«
»Herbeigeführt?« staunte Silk. »Von wem?«
»Es waren die beiden Prophezeiungen, Fürst Kheldar. Für den weiteren Verlauf ihres Spieles veränderten sie den Laut des Wortes, um den Ort vor dem Ehrwürdigen Belgarath und vor Zandramas zu verbergen. Diese zwei sollten das Rätsel lösen, ehe die endgültige Begegnung stattfinden würde.«
»Spiel?« rief Silk ungläubig. »Sie trieben ihr Spiel mit etwas so Wichtigem?«
»Diese beiden ewigen Bewußtheiten sind nicht wie wir, Fürst Kheldar. Sie messen sich in unzähligen Dingen. Immer
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