Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Pater Bertrand lebte? Ihr leugnet also, die wirren Weltsichten und Dogmen von diesem Beschwörer angenommen zu haben? Diese zu Eurem Glauben gemacht zu haben? Ihr leugnet also, die häretischen Bücher, die bei Eurer Verhaftung in Eurem Laboratorium entdeckt wurden, gelesen zu haben? Ihr leugnet also, auf ungeheuerliche Weise die Kirche zu Saint Mourelles bewaffnet gestürmt und einen Geistlichen bedroht und verletzt zu haben? Und Ihr leugnet auch, dass Eure Garde mit Pferden ausgestattet ist, deren Hufeisen ungewöhnlicherweise mit sieben Nägeln versehen wurden? Aber genau diese Hufabdrücke wurden an mehreren Tatorten gesehen. Habt Ihr für all dies eine Erklärung? Herr Baron, ich versichere Euch, das ist nur ein Bruchteil der Fragen, die Euch erwarten.«
Jetzt lag die Schlinge um Amédés Hals, erkannte Bérénice, erschüttert, wie viele Fäden aufgegriffen worden waren, um diese möglichst fest zu winden. Sie hatten gründlich gearbeitet,das musste Bérénice ihnen lassen. Hier kamen weit mehr Anklagepunkte zusammen, als sie erwartet hatte, Vorwürfe, die schwer wogen. Und wieder landete sie bei den für sie bedeutenden Fragen: Was würde geschehen, wenn ihr Mann ein Mörder war? Und was würde geschehen, wenn ihr Mann kein Mörder war? Wenn er heimkehrte und Rache an denen nahm, die ihn dem Gericht ausgeliefert hatten?
Juliens Blick ruhte auf der Stirnseite des großen Saals, auf zwei fetten Fliegen, die über den weißen Tuffstein krabbelten, während er dem Promotor lauschte. Ohne die Stimme zu erheben, verlangte dieser, dass der Bischof und Pater Blouyn darüber befinden müssten, ob der Angeklagte in allen Punkten schuldig gesprochen werden solle.
»Wenn der Angeklagte für schuldig befunden wird, dann warten die entsprechenden Strafen, die seitens der Kirche in diesen Fällen verhängt werden, auf ihn. Hier wird allem voran die Exkommunikation erfolgen«, schloss der Promotor seine Rede.
Ein Raunen ging durch den Saal. Julien sah zum Bischof hinüber, dessen Hände auf der schwarz glänzenden Seidensoutane ruhten. Wie so oft ließ er seine Daumen umeinanderkreisen.
Mit wohlwollendem Ton sprach dieser den Baron an: »Amédé de Troyenne, wir kennen uns gut. Lasst uns nun gemeinsam zu den Fragen Stellung nehmen. Beginnen wir mit den Büchern, die auf Eurem Schloss beschlagnahmt wurden.« Er hob die rechte Hand von der Soutane, gab ein Zeichen, und wie aus dem Nichts erschien ein Gehilfe, der neben den Inquisitor trat und mehrere in Leder gebundene Bücher auf den Tisch legte. »Gehören diese Bücher Euch?«
»Nein, sie gehören Pater Bertrand. Auch die Alchemieöfen, die am Morgen der Verhaftung bei der Durchsuchung mitgenommen wurden.«
»Wir haben andere Aussagen hierzu vorliegen.«
»Von wem?«, fuhr der Baron auf. »Wer will das wissen? Pater Bertrand ist verschwunden. Wer also, wenn nicht er, erdreistet sich dann, solche Dinge zu behaupten?«
Pater Blouyn zog die Brauen zusammen und legte seine Hand auf den Arm des Bischofs, um ihm anzuzeigen, dass er das Wort übernehmen wollte. »Herr Baron, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir einen Ketzerprozess führen. In dieser speziellen Prozessführung müssen wir die Namen der Belastungszeugen nicht nennen.«
Die Spannung in Juliens Schultern ließ nach. Es läuft gut, dachte er, es läuft wirklich gut. Und dieser Dominikanerpater Blouyn, der gleicht einem Jagdhund, der sich festbeißt und nicht mehr loslässt. Ohne den Kopf zu bewegen, blickte Julien zu Bérénice hinüber. Streng sah sie aus mit dem in die Höhe gereckten Kopf und dennoch zerbrechlich. Für einen Moment schmeckte er in der Erinnerung noch einmal ihre Küsse und unterdrückte das Lächeln, das sich dabei auf seinem Gesicht ausbreiten wollte.
Erneut hob der Bischof die Hand, und wieder erschien der Gehilfe. Dieses Mal brachte er, wie vorab von Julien festgelegt, die silberne Mantelspange und platzierte sie neben den Büchern. »Es wurde zu Protokoll gegeben, dass solch eine Spange an Eurem Mantel ersetzt wurde, weil eine fehlte«, übernahm nun wieder der Bischof die Befragung. Noch immer zeigte er sich von seiner versöhnlichen Seite, als würde er dem Baron tatsächlich zugutehalten, dass sie sich lange kannten.
»Es gibt in Saint Mourelles eine junge Frau, Catheline Cogul, die in Verdacht steht, die Morde oder zumindest einige davonbegangen zu haben. Hat sich das zu Euch herumgesprochen?«, fragte der Baron und sah den Bischof direkt an.
Julien reckte den
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