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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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niemandem ein Leid geschah.
    Scham konnte sich endlos fortsetzen, hatte sie in diesem Moment erkannt.
    Bérénice reckte den Kopf und suchte Julien. Er stand nebendem Bischof, ein wenig vorgebeugt, hörte ihm zu und gab dann dem Promotor das Zeichen. Dieses spindeldürre Männlein, das hatte Bérénice inzwischen begriffen, war für eine geregelte Durchführung der Verhandlung zuständig.
    Mehrfach hatte sie in den vorangegangenen beiden Prozesstagen den Faden verloren. Und das, obwohl am ersten Tag so gut wie nichts geschehen war. Man hatte allgemeine Angaben zur Person abgeglichen. Fragen, die von Amédés Geburtsdatum bis hin zu den Sakramenten reichten, die er seitdem erhalten hatte. Ausführlich hatte man sich dann darum bemüht, Amédés Hintergrund zu beleuchten. Sein Vermögen, seine Herkunft, sein Verhältnis zum König, sein Kampf an der Seite von Johanna. So gut wie nichts war ausgespart worden, außer seiner Ehe, bei der nur das Datum der Heirat von Interesse gewesen war.
    Am zweiten Tag hatte man die Zeugen befragt, und obwohl die Herren Richter hier Französisch gesprochen hatten, waren Bérénice die Abläufe des Gerichts, in denen sich Julien nicht minder sicher und selbstbewusst bewegte wie Amédé, immer noch unverständlich. Was der Bischof wollte, was der Inquisitor forderte, was die Männer zu ihren Handlungen und Fragen antrieb. Doch der Promotor war ihr ein Wegweiser, er fasste zusammen, hakte nach und führte zu neuen Abschnitten über. Wenn sie den Anschluss vollständig verlor und in Gedanken versank, tauchte sie erst wieder auf, wenn sie die Stimme dieses Mannes vernahm.
    »Ihr habt verstanden, dass Ihr Euch der Häresie schuldig gemacht habt und Euch dafür verantworten müsst?«, fragte der Promotor just in diesem Moment.
    Amédé nickte, hart und bestimmt.
    »Ihr habt verstanden, dass Pater Blouyn der Beauftragte der Inquisition für die Diözese Nantes ist?«
    Dieses Mal fügte ihr Mann dem Nicken ein gewinnendes Lächeln hinzu.
    »Diesen Moment nennt man im Inquisitionsprozess litis contestatio, und er ist entscheidend, denn Ihr habt zu erklären, ob Ihr die Anklage als begründet anerkennt«, erklärte der Promotor und nahm die erneute Zustimmung regungslos zur Kenntnis. »Dann werde ich nun beginnen, die Anklageschrift zu verlesen.«
    Bérénice, die sich aufrecht hinsetzte, um den Ausführungen besser folgen zu können, sank schnell wieder in sich zusammen. Ein Absatz nach dem anderen, in dem die Zuständigkeit des Gerichtes hergeleitet wurde, einer trockener und langweiliger als der andere. Just als Bérénice aufgab, donnerten die Worte des Promotors mit einem Mal wie Hammerschläge durch den Saal. Die Anklage umfasste den Vorwurf der Ausübung magischer Handlungen, vor allem in Form von Teufelsbeschwörungen, die Verletzung der kirchlichen Immunität und den tätlichen Angriff auf einen Geistlichen. Dann eröffnete der Promotor, dass die Morde, allen voran die Taten an den Kindern, Amédé ebenfalls zur Last gelegt wurden. Jetzt war die Katze aus dem Sack.
    Amédés Kopf war, während der Promotor die Anklagepunkte vorlas, immer weiter herabgesunken. Einem Sünder gleich stand er vor den Richtern. Dann sprang er vor, und die Farbe seines Gesichtes glich der von frisch gekochten Langusten. Ein Anblick, der Bérénice zurückzucken ließ. Unheimlich sah er aus. Die Augen zusammengepresst, stieß er mit seinem Zeigefinger in der Luft herum, um ihn dann auf Pater Blouyn zu richten.
    »Du machst also gemeinsame Sache mit diesen Betrügern?«, brüllte er und wies auf den Herzog, den Bischof und zuletzt auf Julien.
    »Mäßigt Euch«, ermahnte der Promotor ihn mit ruhiger Stimme.
    »Ich verweigere die Aussage. Ich habe mit alledem, was mir vorgeworfen wird, nichts zu tun. Und die Zuständigkeit des Gerichtes akzeptiere ich nicht mehr. Außerdem verlange ich, dass man mir endlich einen Stuhl bringt. Diesen Versuch einer Demütigung, mir das Sitzen zu verweigern, kann man bei anderen Angeklagten versuchen, bei mir nicht.« Die Arme vor der Brust verschränkt, verfiel Amédé dann in Schweigen.
    Der Promotor erhob kurz die Hand, und umgehend wurde ein Stuhl herbeigeschafft. Mit zufriedener Miene ließ Amédé sich darauf nieder.
    Dann wandte sich der Promotor erneut an Amédé: »Ihr leugnet also, Euch mehrere Tage in Port-Saint-Luc aufgehalten zu haben? Ihr leugnet also, seit gut einem halben Jahr Beziehungen zu einem Ketzer unterhalten zu haben, der in Eurem Schloss unter dem Namen

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