Sehnsucht
strauchelte, fing sich aber gerade noch und fuhr herum. Wie wild suchten seine Augen den Raum nach der Ursache des Zusammenstoßes ab. Doch alles, was er sah, war Bo, der ihn schuldbewusst anblinzelte.
»Entschuldige«, sagte Bo. »Ich glaube, ich bin über etwas gestolpert. Bist du okay?«
Sam starrte ihn an, hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Ärger. Der Ärger gewann.
»Scheiße, Bo, ich dachte…« Sam atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. »Ach, vergiss es. Ich bin in Ordnung. Ist ja nichts passiert.«
Bo nickte und ging wieder dazu über, Fotos zu machen. Aber Sam hatte das kleine Lächeln gesehen.
Verdammt, das hat er doch mit Absicht gemacht! Eine Sekunde lang hatte Sam das dringende Bedürfnis, Bo gegen die Wand zu werfen und ihm eine reinzuhauen. Oder ihn zu küssen, bis seine Mauern zusammenfielen und er Sam anflehte, ihn zu nehmen. Sam war nicht sicher, welches Bedürfnis stärker war oder ob sie sich am Ende überhaupt so sehr voneinander unterschieden.
Ein Schauer ließ kalte Finger über Sams Rücken streifen. Er sog scharf die Luft ein. Das plötzliche Gefühl von Grauen war fast übermächtig. Er war gerade noch fähig, die Kamera gerade zu halten. Sam drehte sich langsam im Kreis und fotografierte jeden Teil des Raumes. Währenddessen versuchte er, dem Drang zu widerstehen, vor dem eingebildeten Alptraum hinter ihm zu fliehen.
»Bo«, sagte er. »Mach schnell ein paar Bilder. Beeil dich.«
Bo gehorchte, ohne nachzufragen. Das Blitzlicht blendete im ansonsten dunklen Raum.
»Was war es? Das Gleiche wie gestern?«
»Nicht ganz. Es war nur ein Gefühl.« Sam lehnte sich gegen den Holztisch. Er zitterte leicht. »Ich habe nichts gesehen, aber ich glaube, es ist eine nähere Untersuchung wert.«
»Gut mitgedacht.« Bo schoss ein weiteres Bild und ließ dann die Kamera sinken. »Können wir in der Küche weitermachen?«
»Ja.« Sam macht eine Geste in Richtung Tür. »Nach dir.«
Bos eine Augenbraue hob sich, doch er ging ohne ein weiteres Wort durch die Tür. Sam betrachtete seinen Hintern, während er ging. Er machte sich nicht einmal die Mühe, es zu verheimlichen, da Bo es ja offensichtlich geradezu erwartete. Aber sein Herz war diesmal nicht bei der Sache.
Er konnte nur an das unerklärliche Gefühl denken, das er gerade fast etwas dazu gebracht hatte, sich zu materialisieren. Warum er davon ausging, dass er selbst der Grund dafür war und nicht die sorgfältig durchdachten Fragen, konnte er nicht sagen.
Das kann nicht stimmen , dachte Sam ängstlich, obwohl eine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass es mehr der Wahrheit entsprach, als er sich eingestehen wollte. Ich bin das nicht. Es ist dieser Ort. Irgendetwas an diesem Ort.
Als sie schließlich die Untersuchung der Küche beendeten, hatte er es fast geschafft, sich davon zu überzeugen.
Kapitel 10
Nachdem sie wieder zurück im Haus waren, schenkte Sam sich ein Glas Limonade ein und setzte sich damit auf die Veranda, während er darauf wartete, dass Bo aus der Dusche kam. Er fragte sich, was Bo wohl denken würde, wenn er wüsste, dass Sam ihm im Bad nur den Vortritt gelassen hatte, damit er anschließend in Bos Geruch schwelgen konnte, den dieser zusammen mit dem Wasserdampf zurücklassen würde.
Etwa fünfzehn Minuten später schlenderte Bo auf die Terrasse.
Er hatte sich ein Handtuch um die Hüfte gebunden, aus seinen nassen Haaren lief Wasser über seinen Rücken und seine Schultern. »Ich bin fertig, du hast die Dusche für dich.«
»Danke«, presste Sam hervor. Er versuchte, seine Aufmerksamkeit auf Bos Gesicht zu konzentrieren – mit mäßigem Erfolg.
Bo grinste. Offensichtlich war ihm vollkommen bewusst, wie sich seine Fast-Nacktheit auf Sam auswirkte. Bastard , dachte Sam genervt und versuchte, den aberwitzigen Drang niederzukämpfen, über Bos unverhohlenes Flirten zu lachen.
Er wünschte, der Kerl würde sich für ein Verhalten entscheiden und dabei bleiben. Die Art, wie Bo zwischen Unbehagen, Wut und spielerisch-anzüglichen Sticheleien hin- und herschwankte, machte ihn wahnsinnig.
»Wir sehen uns dann beim Abendessen«, sagte Bo, während er sich umdrehte und wieder hinein ging. »Cecile hat auf dem Markt ein paar Riesengarnelen bekommen. Ich werd' sie frittieren und Krautsalat und Hushpuppies dazu machen.«
»Klingt lecker«, antwortete Sam, dessen Magen bereits vor Vorfreude knurrte.
Bo lächelte über die Schulter, als er zurück in den Salon schlenderte. Sam versuchte, sich
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