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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wieder dieses Lächeln oder vielmehr ein verzerrtes Grinsen. Er trat einen Schritt auf sie zu, das Messer hoch über dem Kopf.
    »Bitte, bitte, bitte«, wimmerte Caroline, und noch einmal zuckte der Revolver in ihrer Hand. Plötzlich verschwand Austins Gesicht. Der gewaltige Körper vor ihr wurde wie von Krämpfen geschüttelt. Doch zu ihrem namenlosen Entsetzen schien er noch immer unaufhaltsam auf sie zuzukommen.
    Caroline kreischte los. In panischer Angst krabbelte sie rückwärts.
    Dann fiel das Messer vor ihren Füßen zu Boden, und Austin folgte nach.
    Tucker schlitterte über die Kieselauffahrt. Das Herz klopfte ihm zum Zerspringen, doch anscheinend war Caroline nichts geschehen. Sie trug den Welpen über den Rasen. Hinter ihr lag Austin mit dem Gesicht nach unten. Um ihn herum hatte sich eine Lache aus Blut gebildet.
    »Er hat meinen Hund getreten!« Als ob diese Erklärung reichen würde, ging sie an Tucker vorbei zum Haus.
    »Burke…«
    Der Sheriff steckte seine Pistole ein und schaltete das Funkgerät an. »Ich schaffe das hier draußen auch ohne dich.
    Geh zu ihr und sorge vor allem dafür, daß sie erst wieder rauskommt, wenn wir fertig sind.«
    Tucker traf Caroline im Salon an. Sie saß, den Welpen auf dem Schoß, im Schaukelstuhl. Er kniete vor ihr nieder und streichelte ihr das Gesicht. »Liebling, hat er dich verletzt?«
    »Er wollte mich umbringen! Mit dem Messer. Er hätte mich erschießen können, aber er mußte es mit dem Messer tun. Wie bei Edda Lou, hat er gesagt.« Der Hund regte sich winselnd auf ihrem Schoß. Caroline drückte ihn wie ein kleines Baby an ihre Brust. »Es ist ja alles gut, mein kleiner Liebling.«
    »Caroline, Caroline, schau mir in die Augen.« Tucker wartete, bis sie zu ihm aufsah. Ihre Pupillen waren verschwommen, und die Iris darum herum war kaum erkennbar. »Ich bringe dich nach oben. Am besten, ich trage dich, und dann hole ich den Arzt.«
    »Nein!« Caroline atmete hörbar durch. Useless leckte ihr das Gesicht ab. »Ich kriege keinen hysterischen Anfall. Ich drehe nicht mehr durch. In Toronto bin ich durchgedreht, aber da war ich noch eine andere. Das passiert mir nie wieder.« Sie schluckte schwer und drückte den Hund an ihre Wange. »Ich habe Maisbrot gebacken. Ich wollte ein Rezept von Happy ausprobieren. Und dann wollte ich das Brot zu Susie mitbringen.
    Es tut ja so gut, Teil der Gemeinde hier zu sein. Weißt du, als ich hier ankam, wollte ich vor allem allein sein, aber ich hatte keine Ahnung, wie nötig ich es hatte, zu einer Gemeinschaft zu gehören.«
    »Es wird alles wieder gut«, murmelte Tucker hilflos. »Es wird alles wieder gut, du wirst schon sehen.«
    »Weißt du, ich wollte Maisbrot im Ofen meiner Großmutter backen. Das ist doch nichts Unnormales, oder?«
    »Caroline.« Er hob ihr Kinn mit den Fingerspitzen an. Die Spuren der Anspannung, die Wut, waren in seinen Augen noch deutlich sichtbar, aber er sprach mit wohltuend sanfter Stimme.
    »Ich halte dich ein bißchen, einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    Sie ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. Vorsichtig legte er ihren Arm um seinen Hals und trug sie mitsamt dem Hund zur Couch hinüber.
    Beide achteten nicht auf das Schrillen des Telefons.
    »Ich bleibe heute nacht bei dir«, versprach er. »Ich kann ja hier auf der Couch schlafen.«
    »Ich drehe nicht durch, Tucker.«
    »Ich weiß, Liebling.«
    Caroline stieß einen Seufzer aus. »O Gott, hörst du die Schaltuhr? Das Brot ist wahrscheinlich längst angebrannt!«
    Sie verbarg das Gesicht an seinem Arm und weinte.

19
    Noch ganz benommen vom Schock und der Schlaftablette, tastete Caroline sich die Treppe hinunter. Im Haus war es totenstill. Sie wußte nicht, wie spät es sein mochte, nur daß die Sonne bereits hoch am Himmel stand.
    Und schwül war es. Der dünne Morgenrock klebte ihr schon wieder an der Haut. Sie beschloß, sich einen Eiskaffee zu genehmigen – im Wagen und bei laufender Klimaanlage.
    Sie hatte einen Menschen getötet.
    Caroline blieb jäh auf der untersten Stufe stehen. Wie eine Athletin, die nach einem langen Sprint um Luft ringt, preßte sie die Faust ans Herz. Die Beine wurden ihr weich, und sie mußte sich setzen.
    Sie hatte zwei Kugeln in die Brust eines Mannes gejagt. Ein hoher Preis für ihr Leben! Oh ja, ihr war klar, daß sie aus Notwehr gehandelt hatte. Dazu hätte es Burkes sanfter Fragen und fürsorglicher Unterstützung nicht bedurft. Irgendwo in Austin Hatingers Gehirn war eine Sicherung durchgebrannt, und er

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