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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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war auf sie losgegangen.
    Aber die Umstände änderten nichts am Ergebnis. Sie hatte das Leben eines Menschen ausgelöscht. Sie, die außer in einem Wutanfall im Hilton Hotel in Baltimore, bei dem sie ein Champagnerglas an die Wand geworfen hatte, noch nie rabiat geworden war, hatte einen Mann mit zwei 45er Kugeln erschossen.
    Ein gewaltiger Sprung, befand sie und massierte sich die Stirn. Zwar mochte sie nach der Landung etwas wackelige Knie haben, doch sie bemerkte noch etwas anderes an sich: Sie konnte damit leben.
    Caroline dachte gar nicht daran, sich Vorwürfe zu machen.
    Sie würde sich nicht mit dem Gedanken quälen, ob oder wie sie die Tat vielleicht hätte verhindern können. Das war die Schwäche der alten Caroline gewesen, die in maßloser Selbstüberschätzung gemeint hatte, sie habe das Recht, die moralische Pflicht und auch die Kraft, sämtliche Bürden auf sich zu nehmen, seien es Konzerte, seien es die Hoffnungen ihrer Mutter, seien es die Affären ihres Liebhabers. Und jetzt auf einmal der gewaltsame Tod eines Wahnsinnigen?
    Nein, Caroline Waverly hatte Besseres zu tun, als auf die Stimme zu hören, die sich irgendwie in ihr Gehirn geschlichen und von Schuld, Fehlern und Verantwortung gefaselt hatte.
    Sie sprang auf. Das Herz blieb ihr fast stehen, denn es raschelte an der Tür. Schon wollte sie loskreischen, da erkannte sie die Ursache. Useless kratzte winselnd am Glas. Er wollte rein. Caroline lief hin und machte auf.
    Der Hund sprang überglücklich an ihr hoch. Mit dem Schwanz durchschnitt er schier die Luft, so heftig wedelte er.
    »Wie bist du denn da rausgekommen?« Sie kauerte sich hin und streichelte ihn hinter den Ohren, was er ihr mit einem Hundekuß dankte. Im nächsten Moment schoß er davon und verschwand im Salon.
    Caroline folgte. »Du bist doch hoffentlich keine Lassie und führst mich zu irgendeinem Verletzten…« Sie verstummte. Auf der Couch lag Tucker mit entblößter Brust und schlief.
    Ihr fiel auf, daß er im Schlaf überhaupt nicht unschuldig wirkte. Das wäre bei seiner intelligenten, verschmitzten Miene gar nicht möglich gewesen. Aber seine Lage sah alles andere als gemütlich aus. Seine Beine hingen von den Knien an herunter, und den Kopf hatte er irgendwie zwischen das Kissen und die Lehne geklemmt. Die Arme hatte er über der Brust verschränkt, allerdings nicht ganz freiwillig. Er hatte schlichtweg nicht gewußt, wohin damit. Aber weder diese Haltung, noch die ihm mitten ins Gesicht scheinende Sonne, konnten seinem Schlaf etwas anhaben. Seine Brust hob und senkte sich mit seinen regelmäßigen Atemzügen.
    Caroline hatte ganz vergessen, daß er bei ihr hatte bleiben wollen. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Wie lieb er gewesen war! Wie zärtlich er sie gestreichelt hatte, als sie den Schock aus sich herausgeweint hatte! Und was für eine Kraft und Gelassenheit von ihm ausgegangen waren, als er sie während der Vernehmung durch Burke gehalten hatte!
    Tucker hatte sie auch ins Bett gebracht. Wie ein Vater, der sein übermüdetes Kind einfach bei der Hand nimmt, so hatte er ihren Protest geduldig übergangen und sie nach oben getragen.
    Danach hatte er sich neben sie gesetzt und gewartet, bis die Schlaftablette wirkte. Um ihre Angst zu verscheuchen, hatte er ihr die Hand gehalten und eine verrückte Geschichte über seinen Cousin Harn erzählt, der in Oxford eine Gebrauchtwagenhandlung betrieb. Das letzte, woran sie sich erinnern konnte, war ein unzufriedener Kunde, der mit einer Schrotflinte bei ihm aufgetaucht war.
    Caroline spürte, wie ein Schloß vor ihrem Herz aufschnappte.
    »Du steckst doch voller Überraschungen, Tucker«, seufzte sie.
    Useless spitzte bei der Nennung des Namens die Ohren, sprang auf die Couch und leckte Tucker das Gesicht ab. Tucker drehte sich ächzend um. »Schon gut, Honey. Ich bin gleich soweit.«
    Caroline trat lächelnd näher. »Hoffentlich lohnt sich das Warten auch.«
    »Aber immer.« Tucker griff blind nach oben. Seine Hand glitt vom Kopf des Welpen hinunter bis zum Schwanz. Langsam klappten seine Augen auf, und er starrte in das Hundegesicht.
    »An dich hatte ich aber nicht gedacht…«
    Davon unbeeindruckt, kletterte Useless auf Tuckers Brust.
    Tucker schloß wieder die Augen und kraulte ihn zerstreut.
    »Habe ich dich nicht vor die Tür gesetzt?«
    »Er wollte rein.«
    Tucker schlug die Augen wieder auf. Er schob Useless fort von sich und konzentrierte sich auf Caroline. Der verschlafene Ausdruck war wie weggewischt. Caroline

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