Sehnsucht der Unschuldigen
Glas eisgekühlten Tee hin. Er trank es in einem Zug leer.
Beim Anblick seines auf und ab hüpfenden Adamsapfels leckte Josie sich unwillkürlich die Lippen.
»Miss Ed iths Enkelin ist heute in das leere Haus eingezogen«, verkündete der Sheriff. »Caroline Waverly heißt sie. Soll eine berühmte Musikerin aus Philadelphia sein. Sie hat vorhin angerufen, damit ihr das Telefon und der Strom wieder angeschlossen werden.«
»Wie lange bleibt sie?« fragte Earleen, die jede Neuigkeit begierig aufnahm. Als Geschäftsführerin des Chat ‘N Chew gehörte das gewissermaßen zu ihren Pflichten.
»Keine Ahnung. Miss Edith hat ja nie viel von ihrer Familie erzählt. Ich weiß nur, daß sie mal von einer Enkelin gesprochen hat, die mit einem Orchester oder so was in der Weltgeschichte herumzieht.«
»Muß ein gutbezahlter Job sein«, meinte Tucker. »Ich hab sie vor einer Viertelstunde mit einem nagelneuen BMW zum Haus fahren sehen.«
Burke wartete, bis Earleen sich um andere Gäste kümmerte.
»Tuck, ich muß mich mit dir unterhalten. Wegen Dwayne.«
Tuckers Gesicht blieb nach außen hin freundlich, aber in ihm schrillten sämtliche Alarmglocken. »Weswegen denn?«
»Er hat sich gestern abend wieder vollaufen lassen und bei McGreedy drüben zu randalieren angefangen.«
Tuckers Züge spannten sich nun doch an. »Bekommt er jetzt Schwierigkeiten mit dir?«
»Reg dich ab, Tuck. Er hat sich nur mordsmäßig aufgeführt, und ich wollte nicht, daß er in seinem Zustand heimfährt. Da habe ich ihn eben für die Nacht in die Ausnüchterungszelle gesteckt. Als ich ihn das letzte Mal heimgebracht habe, hat Miss Delia einen halben Tobsuchtsanfall bekommen.«
»Ja, stimmt.« Tucker beruhigte sich wieder. Er hatte Freunde, er hatte seine Familie, und er hatte Burke, eine Mischung aus beidem. »Wo ist er denn jetzt?«
»Noch in der Zelle. Er hat einen Mordskater. Da du gerade in der Stadt bist, kannst du ihn ja sicher heimfahren. Seinen Wagen könnt ihr später holen.«
»Vielen Dank, Burke.« Die Worte sagten nichts über Tuckers maßlose Enttäuschung aus. Dwayne war zwei Wochen lang trocken gewesen. Aber soviel stand bereits fest: Nach einem Rückfall war es ein langer, steiniger Weg, bis Dwayne sich wieder erholte.
Tucker erhob sich und zückte die Geldbörse. In diesem Moment fiel die Tür mit einem derartigen Krach ins Schloß, daß die Gläser auf dem Regal klirrten. Tucker erkannte mit einem Blick, daß Ärger ins Haus stand.
»Du Hurenbock! Du Dreckskerl!« spuckte ihm Edda Lou Hatinger ins Gesicht und stürzte sich auf ihn. Hätte Burke nicht blitzschnell reagiert, Edda Lou hätte seinem Freund das Gesicht zerkratzt.
»Hey, hey«, rief Burke, während Edda Lou trotz seines Griffs wild um sich schlug.
»Du bildest dir wohl ein, du kannst so mit mir umspringen, was?«
»Edda Lou.« Seine Erfahrungen hatten Tucker gelehrt, nicht die Ruhe zu verlieren. »Jetzt hol mal tief Luft. Du tust dir ja noch weh.«
»Ich tu
dir
weh, du Schuft!«
Nur widerwillig schlüpfte Burke in die Rolle des Sheriffs.
»Jetzt reiß dich gefälligst zusammen, Mädchen, oder ich stecke dich ins Gefängnis. Was meinst du, wie sich dein Daddy darüber freuen würde?«
»Ich krümme dem Scheißkerl schon kein Härchen«, zischte sie, woraufhin Burke sie losließ und sie sich wirklich nur das Kleid glattstrich.
»Wenn du mit mir über die eine Sache da reden willst…«, setzte Tucker an.
»Genau, darüber werden wir uns unterhalten«, fuhr sie ihn an.
»Und zwar hier und sofort!« Sie wirbelte zu den anderen Gästen herum, die betreten wegsahen oder wenigstens so taten. Auf ihrem Hals glänzten Schweißperlen. »Hört mal alle her! Ich muß euch was über diesen edlen Mister Longstreet erzählen.«
»Edda Lou…« Tucker legte begütigend eine Hand auf ihren Arm. Sie fuhr herum und versetzte ihm mit dem Handrücken einen Schlag über den Mund.
»Laß sie reden«, bat Tucker Burke mit einer beschwichtigenden Geste und wischte sich den Mund ab.
»Und wie ich reden werde! Du hast mir geschworen, daß du mich liebst!«
»Das habe ich nie getan!« protestierte Tucker, der selbst in Augenblicken der größten Leidenschaft sorgsam auf seine Worte achtete. Ja, vor allem dann.
»Aber du hast alles getan, damit ich es glaube!« schrie Edda Lou. Der Geruch ihres billigen Parfüms mischte sich mit ihrem Schweiß zu einem betäubenden Gestank. Irgendwie fühlte Tucker sich an eine frische Leiche erinnert. »In mein Bett hast du dich geschlichen
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