Sehnsucht der Unschuldigen
und mir gesagt, ich sei die Frau, auf die du gewartet hättest. Du hast gesagt…« – Tränen schössen nun aus ihren Augen und liefen mit der Schminke über ihr verschmiertes Gesicht – »Du hast mir gesagt, du willst mich heiraten!«
»O nein!« Tucker packte nun doch die Wut, obwohl er sich vorgenommen hatte, ruhig zu bleiben. »Das war deine Idee, meine Liebe. Ich habe dir von Anfang an gesagt, daß du das vergessen kannst.«
»Was soll eine Frau denn anderes denken, wenn ein Mann mit Blumen daherkommt und Champagner kauft? Du hast mir gesagt, ich würde dir mehr bedeuten als jede andere!«
»Du hast mir ja auch etwas bedeutet.« Es stimmte. Tucker hatte sie alle gern gemocht.
»Ach was! Für dich zählt doch nur ein einziger Mensch – und das ist Tucker Longstreet.«
Sie hatte sich dicht vor ihm aufgebaut und funkelte ihn bitterböse an. Wie er sie so keifen und schäumen sah, begriff er selbst nicht mehr, was er je an ihr hatte finden können. Und es paßte ihm überhaupt nicht, daß die Jungen von vorhin einander feixend anstießen.
»Dann hast du es ja ohne mich viel besser.« Er legte zwei Dollar auf die Theke.
Sie verkrallte sich in seinem Arm. »Du meinst wohl, du kommst so billig davon, was? Du meinst wohl, du kanns t mich wegwerfen wie alle anderen.« Aber da biß er auf Granit. Mit ihr nicht! Das hatte sie sich fest vorgenommen. Schließlich hatte sie vor all ihren Freundinnen von der Hochzeit geredet und war auch schon nach Greenville gefahren und hatte die schönsten Brautkleider anprobiert. Ihr war klar, daß sie sich unsterblich blamieren würde, wenn sie ihn jetzt nicht bekam. »Du kannst nicht mehr zurück. Du hast mir Versprechungen gemacht.«
»Nenn mir doch eine.« Wütend riß er sich los.
»Ich bin schwanger!« Es war ihr letzter Trumpf. Zufrieden registrierte sie das sofort einsetzende Gemurmel an den Tischen.
Tucker erbleichte. »Was hast du gesagt?«
Ihre Lippen kräuselten sich zu einem hämischen Grinsen. »Du hast dich nicht verhört, Tuck. Denk mal scharf nach, was das bedeutet.«
Mit in die Höhe gerecktem Kinn stürmte sie hinaus. Tucker blieb wie ein begossener Pudel zurück. Den Schlag mußte er erst noch verdauen.
»Na so was«, meinte Josie grinsend an die gaffenden Gäste gewandt. Sie legte die Hand auf die ihres Bruders. »Jede Wette, daß sie lügt!«
Tucker starrte sie benommen an. »Was?«
»Ich habe gesagt, sie ist genausowenig schwanger wie du. So alt er ist, der Trick zieht fast immer. Laß dich damit nicht einfangen.«
Tucker wollte zuallererst nachdenken. Dazu brauchte er unbedingt Ruhe. »Hol doch bitte du Gwayne aus dem Gefängnis. Und kannst du die Sachen für Delia besorgen?«
»Warum…«
Aber er stapfte schon zur Tür hinaus. Josie gab einen resignierten Seufzer von sich. Er hatte ihr nicht gesagt, was Delia haben wollte.
2
Dwayne Longstreet hockte, die Hände gegen die Schläfen gepreßt, auf seiner Gefängnispritsche und stöhnte wie ein verwundeter Hund. Vorhin hatte er drei Aspirin geschluckt. Bis sie wirkten, mußte er noch eine Weile mit den Kettensägen in seinem Kopf leben, die sich immer näher ans Zentrum heranfraßen. Kurz nahm er seine Hand von der Schläfe, schlürfte einen Schluck schwarzen Kaffee und klemmte gleich wieder den Kopf fest. Halb fürchtete er, halb hoffte er, er würde ihm abfallen.
Nach dem Erwachen aus einem Vollrausch verachtete er sich jedesmal aufs neue. So auch heute. Daß er es einfach nicht lassen konnte und immer wieder sehenden Auges in dieselbe Falle trottete!
Das Trinken selber war es gar nicht einmal. Nein, Dwayne trank für sein Leben gern. Er liebte den Geschmack von Whiskey auf der Zunge. Wie er so angenehm in der Kehle brannte und dann in den Magen rutschte – ein Gefühl wie beim Kuß einer tollen Frau! Nach dem zweiten Drink schließlich breitete sich in seinem Kopf ein so herrliches leichtes Gefühl aus.
Und auf das alles sollte er verzichten?
Gegen die Räusche selbst hatte er eigentlich auch nichts einzuwenden. Hatte man erst einmal fünf, sechs Drinks hinuntergekippt, dann schwamm alles so wunderbar angenehm im Kopf, dann wirkte alles so leicht und lustig. Dann vergaß er endlich, daß in seinem Leben so vieles schiefgelaufen war, daß er zum Beispiel seine Frau und zwei Kinder an so einen dämlichen Schuhvertreter verloren hatte, auch wenn er die Frau nie wirklich gewollt hatte, und daß er in einem elenden Drecksloch festsaß, nur weil ihm nichts Besseres einfiel.
Da tat es doch
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